Mann sitzt in einer leeren Kirche und betet.
epd-bild/Jens Schulze
Die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung sei zwar ernüchternd, ist aber auch eine Aufforderung, weniger an den Verhältnissen zu arbeiten, als an der Kommunikation, bekräftigte die Kieler Theologieprofessorin Uta Pohl-Patalong.
Kirchenmitgliedschaft
Theologin warnt vor "Katastrophenszenarien"
Die neueste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung dokumentiert stark und zunehmend sinkende Mitgliederzahlen. Kein Grund zur Resignation, sondern vielmehr Ansporn zur Erneuerung, sagt die Kieler Theologieprofessorin Uta Pohl-Patalong.

Vor dem Hintergrund zunehmend sinkender Kirchenmitgliedschaftszahlen hat die Kieler Theologieprofessorin Uta Pohl-Patalong vor "Katastrophenszenarien" gewarnt. Die Ergebnisse der neuesten und sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung seien zwar ernüchternd und "gewiss nicht rosarot", müssten aber differenziert betrachtet werden, sagte die Expertin für Praktische Theologie und Religionspädagogik am Mittwoch vor den evangelisch-landeskirchlichen Pastorinnen und Pastoren der Region in Rotenburg bei Bremen.

Die Ergebnisse forderten dazu auf, kirchliche Angebote "so zu gestalten, dass sie möglichst viele Menschen ansprechen", auch außerhalb der Kerngemeinde. Die Studie sei eine Aufforderung, "weniger an den Verhältnissen zu arbeiten als an der Kommunikation", bekräftigte Pohl-Patalong. Sie halte es "nicht für ein Naturgesetz", dass nichts gegen Kirchenaustritte gemacht werden könne, auch wenn sich der Trend nicht komplett umdrehen lasse: "Der christliche Glaube bietet einen großen Mehrwert für das Leben - das müssen die Menschen merken." Die Relevanz der Kirchen für ihr Leben sei oftmals die entscheidende Frage im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft. "Da müssen wir ansetzen."

Für die im November des vergangenen Jahres veröffentlichte Studie wurden zwischen Oktober und Dezember 2022 bundesweit knapp 5.300 Menschen durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. Demnach wenden sich die Deutschen schneller von den Kirchen ab als bislang erwartet. Wenn sich der aktuelle Trend der Austritte fortsetzt, könnten bereits in den 2040er Jahren nur noch halb so viele Menschen einer Kirche angehören wie noch im Jahr 2017. Bisherige Prognosen hatten diese Entwicklung für das Jahr 2060 vorhergesehen.

Pohl-Patalong sagte, 80 Prozent der Evangelischen meinten, dass sich die Kirchen in Zukunft grundlegend ändern müssten und sich beispielsweise mehr in das soziale Leben einmischen müssten. Das betreffe auch die religiöse Sozialisation etwa mit Blick auf die Angebote für Kinder und Jugendliche. Überdies seien kirchliche Kitas wichtige Kontaktstellen. Die Menschen hätten nach wie vor Erwartungen an die Kirche, das dürfe nicht kleingeredet werden. Pohl-Patalong gehört dem wissenschaftlichen Beirat an, der die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung begleitet.

Die Professorin sprach vor dem Generalkonvent und damit vor der Vollversammlung der landeskirchlichen Pastorinnen und Pastoren im Elbe-Weser-Raum. Auch Stades Regionalbischof Hans Christian Brandy bekräftigte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), es gebe große Erwartungen an eine Erneuerung der Kirchen. Das könnten unter anderem neue Gottesdienst- und innovative Gesprächsformate sein. Viele Menschen hätten ein spirituelles Bedürfnis und seien auf der Suche nach dem Sinn des Lebens: "Die Sehnsucht der Menschen nach Religiosität und Spiritualität ist größer, als wir manchmal denken." Das nehme die Kirche schon jetzt auf und müsse es in Zukunft in erneuerter Form tun.