Kristina Kühnbaum-Schmidt
epd-bild/Nancy Heusel
Neben bestehenden gesetzlichen Regelungen in der Kirche, brauche es einen "grundlegenden Kulturwandel" im Umgang mit sexuellem Missbrauch, so Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt.
Missbrauch
Nordkirche unterstützt Ermittlungen
Nach der Veröffentlichung einer Studie über sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche und Diakonie will die evangelische Nordkirche alle entsprechenden Akten an die schleswig-holsteinische Generalstaatsanwaltschaft übergeben. Das teilte die Landeskirche am Mittwoch mit.

Die Nordkirche habe den Wissenschaftlern des ForuM-Forschungsverbundes für die Studie 58 Fälle sexuellen Missbrauchs gemeldet, sagte ein Nordkirchen-Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). In nur 14 der 58 Fälle sei Anzeige erstattet worden. Wie viele Fälle Schleswig-Holstein betreffen, könne noch nicht gesagt werden.

Die Nordkirche wurde nach eigenen Angaben von der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein am 1. Februar schriftlich aufgefordert mitzuteilen, ob Verdachtsfälle in den Abschlussbericht der ForuM-Studie eingeflossen sind, die sich in Schleswig-Holstein zugetragen haben. Die Staatsanwaltschaften seien im Rahmen des Legalitätsprinzips verpflichtet, allen ihnen bekannt gewordenen Hinweisen auf das Vorliegen einer Straftat nachzugehen, heißt es laut Nordkirche in dem Schreiben. Für die Prüfung etwaiger einschlägiger Fälle werde um Hergabe aller diesbezüglichen Unterlagen gebeten.

"Ich begrüße es außerordentlich, dass die Generalstaatsanwaltschaft Akten und Vorwürfe prüft und somit eine größtmögliche Transparenz hergestellt wird", sagte der Präsident des Landeskirchenamtes, Peter Unruh, laut Mitteilung. Die unabhängigen Ermittlungen und Überprüfungen der an ForuM gemeldeten Fälle seitens der Generalstaatsanwaltschaft seien der Nordkirche "sehr willkommen, um das Vertrauen in unsere Kirche und unser entschiedenes Handeln gegen sexuellen Missbrauch wieder oder neu herzustellen", sagte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt. Naheliegend sei, wenn auch in den anderen Bundesländern auf dem Gebiet der Nordkirche ähnliche juristische Verfahren in Erwägung gezogen würden.

"Die Ergebnisse der ForuM-Studie führen uns überdeutlich vor Augen, dass wir uns mit offenen und verdeckten Machtstrukturen in unserer Kirche auseinandersetzen müssen", sagte Kühnbaum-Schmidt. Es gehe auch um eine intensive Befassung mit den Themen Sexualität, Gewalt, Macht und Geschlecht und deren kritische theologische Reflexion. "Dazu brauchen wir neben den gesetzlichen Regelungen in unserer Kirche, die wir mittlerweile haben und konsequent anwenden, einen grundlegenden Kulturwandel", so die Landesbischöfin. Auf ihren Tagungen im Februar würden sich die Kirchenleitung der Nordkirche und die Landessynode erneut mit der Thematik von sexualisierter Gewalt und deren Prävention auseinandersetzen.

 

Ende Januar war die von der Evangelischen Kirche in Deutschland beauftragte Studie des unabhängigen Forschungsverbunds ForuM veröffentlicht worden. Sie zeigt Ausmaß und Risikofaktoren sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Die Wissenschaftler ermittelten mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie. Sie gehen aber davon aus, dass die tatsächliche Zahl weit höher liegt, weil längst nicht alle relevanten Akten der Landeskirchen und diakonischen Landesverbände eingesehen wurden.