Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst nach ihrer Einführung in der Gedächtniskirche Speyer
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Die Kirche stehe nach dem Missbrauchsskandal vor einem Scherbenhaufen, sagt Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst (Archivbild). Gemeinsam mit den Betroffenen wolle man das Geschehene weiter aufarbeiten.
Gottesdienste Buß- und Bettag
Kirche will nach Missbrauch Vertrauen neu aufbauen
Der evangelische Buß- und Bettag war in diesem Jahr Anlass, sexualisierte Gewalt in der Kirche in den Fokus zu rücken. Kirchenvertreter und Betroffene gestalteten gemeinsam einen Fernsehgottesdienst, der im Ersten ausgestrahlt wurde.

Die Protestanten in Deutschland haben den Buß- und Bettag begangen. Dabei stand auch das Thema Missbrauch im Fokus. Obwohl der Tag außer in Sachsen kein Feiertag mehr ist, gab es in vielen Gemeinden Andachten und Gottesdienste.

Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst appellierte an die evangelische Kirche und ihre Diakonie, für die Betroffenen von sexualisierter Gewalt in ihrem Bereich Verantwortung zu übernehmen. Gemeinsam mit diesen müsse man weiter daran arbeiten, verspieltes Vertrauen wieder aufzubauen, sagte Wüst in ihrer Predigt in einem ARD-Fernsehgottesdienst zum Buß- und Bettag.

Der Gottesdienst mit dem Titel "Der zerbrochene Himmel", der gemeinsam mit zwei Betroffenen sexualisierter Gewalt gestaltet wurde, war bereits am 17.11. in der Pirmasenser Johanneskirche aufgezeichnet worden.

Die Kirche stehe durch den Missbrauchsskandal vor einem Scherbenhaufen, sagte Wüst. Sie ist seit zwei Jahren Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie. In dem Gremium arbeiten Betroffene und kirchliche Beauftragte an Empfehlungen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt. Laut der im Januar veröffentlichten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt im Bereich der EKD wurden seit 1946 mindestens 2.225 Menschen in der evangelischen Kirche und der Diakonie missbraucht, hauptsächlich Kinder und Jugendliche.

Ein Tag der zweiten Chance

Der hessische Ruhestandspfarrer Matthias Schwarz, der Mitglied der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum ist, berichtete in dem Gottesdienst, der Missbrauch durch einen Pfarrer habe ihn als Kind seelisch gebrochen. Dennoch habe er erkannt, dass in seinem Schmerz auch eine Kraft liege, für andere da zu sein.

Für den bayerischen Landesbischof Christian Kopp ist der Buß- und Bettag ein Tag der zweiten Chance. "Jeder und jede hat eine zweite Chance verdient - das ist die christliche Haltung, eine Haltung für das Leben", sagte der Landesbischof am Mittwoch in der Münchner St. Matthäuskirche laut Manuskript. Diese christliche Haltung durchbreche die Unbarmherzigkeit "mit mir selbst", aber auch mit anderen, sagte er.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, hatte in ihrer Botschaft zum Buß- und Bettag betont, er sei ein Anlass zu Neuorientierung und Veränderung. "Der Buß- und Bettag lädt dazu ein, innezuhalten, nachzudenken, die Dinge mit Abstand anzuschauen."

Der Buß- und Bettag hat bis heute seinen festen Platz im Kirchenjahr. Er ist ein Tag der Umkehr, der Neuorientierung und dient auch dem Nachdenken über gesellschaftliche Fehlentwicklungen.