Die Kathedrale St. Paul ragt hoch über die Stadt Odessa. Sie ist das größte lutherische Zentrum der Ukraine. Andreas Hamburg war von 2009 bis 2014 der erste Pastor dieser Gemeinde nach dem Wiederaufbau der in den 1970er Jahren unter den Sowjets zerstörten Kirche. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges ist sie, anders als die benachbarte orthodoxe Verklärungskathedrale, bislang von Zerstörung durch russische Raketen verschont geblieben.
Zum Jubiläum von St. Paul gab es viele Veranstaltungen mit zahlreichen Gästen. Den zentralen Festgottesdienst hat Pastor Andreas Hamburg selbst gestaltet. In seiner Predigt hob er den für ihn besonderen Charakter der Friedenstheologie in der Coventry-Gemeinschaft hervor: "Sie fußt auf eigenen Erfahrungen. Das unterscheidet sie fundamental von einem Pazifismus, der aus den 1960er Jahren pathetisch und unreflektiert in die Gegenwart übertragen wird."
St. Paul ist die einzige Kirche in der Ukraine, die in die Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry aufgenommen wurde. Darüber freut sich der Bremer Friedensbeauftragte ganz besonders: "Frieden ist eins der zentralen christlichen Themen, für mich als Pastor natürlich erst recht. Das ist ein wichtiges Zeichen, um die Friedens- und Versöhnungsarbeit im Land zu stärken." Dem Präsidenten der lutherischen Kirchensynode, Alexander Gross, übergab Andreas Hamburg symbolisch den ersten gefüllten Stoffbeutel der anlaufenden Weihnachts-Kinderaktion "Weihnachten ist, wenn jemand liebevoll an Dich denkt" . Wie bereits im Vorjahr werden in ganz Bremen solche Beutel ausgegeben. In diesem Jahr lautet die Zielmarke, 15.000 Weihnachtsüberraschungen für ukrainische Kinder in das Kriegsgebiet zu schicken.
Während seines Aufenthaltes in Odessa hat Andreas Hamburg auch eine Sanitätseinheit des ukrainischen Militärs besucht, die an der Front ein mobiles Krankenhaus mit OP-Saal betreibt. In dem Logistikzentrum, von dem aus die Einsätze an der Front organisiert werden, traf er mit Militär-Ärzten und Sanitätern zusammen. In der Einsatzzentrale werden Fahrzeuge und medizintechnische Ausrüstung gewartet, repariert und die Materialversorgung für das mobile Krankenhaus organisiert. Regelmäßig fahren zwei von der Stadt Bremen an die Partnerstadt Odessa gespendete Busse von hier an die Front. Sie befördern medizinisches Personal und transportieren Verletzte. Nach der Erstversorgung in dem mobilen Krankenhaus werden die verwundeten ukrainischen Soldaten auf Krankenhäuser hinter der Front verteilt.
1.000 Jogginghosen für verwundete Soldaten
Andreas Hamburg brachte rund 1.000 Jogginghosen von der Stiftung "Solidarität Ukraine" mit. Während der Genesung bei den verwundeten Soldaten ein beliebtes Kleidungsstück. "Es fehlt an diesen angenehmen, leicht anzuziehenden Hosen, unser Geschenk war sehr willkommen" sagte der Pastor. Regelmäßig werden aus Bremen Dinge wie Kaffee, Thermounterwäsche oder Taschenlampen in die Ukraine geliefert.
Berührende Dankbarkeit
"Im Gespräch habe ich eine sehr große Dankbarkeit für die Unterstützung der Stadt Bremen, der Stiftung Solidarität Ukraine und der Bremischen Evangelischen Kirche erlebt. Mir wurden Dankesurkunden überreicht, die zeigen, was die konkrete Solidarität aus Bremen menschlich für die Sanitäter und Ärzte bedeutet." Erzählt Pastor Hamburg sichtlich gerührt. "Beim Verlesen der Urkunden liefen gestandenen Soldaten die Tränen herunter. Das macht Mut und gibt Kraft, mit der bremischen Unterstützung unvermindert weiterzumachen."
Die Gespräche mit den Medizinern und Sanitätern, die immer wieder in die Kampfgebiete an die Front fahren, gingen ihm persönlich sehr unter die Haut, so Andreas Hamburg. "Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, kämpfen mit veraltetem Material oder müssen auf die nötigste Ausstattung verzichten, weil sie durch den russischen Raketenbeschuss zerstört wurde."
Pastor Andreas Hamburg (50) ist in der Ukraine geboren. 1995 ist er nach Deutschland ausgewandert und war später als Pastor in Charkiw und Odessa tätig. Seit 2018 ist er Pastor in der evangelischen Gemeinde St. Markus. Seit Kriegsausbruch hat er gemeinsam mit zahlreichen Partnern ein Ukraine-Solidaritäts-Netzwerk aufgebaut.