Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist ein Rückzug russischer Truppen aus der Ukraine Bedingung für Gespräche über einen Waffenstillstand in dem Land. Es gehe nicht, dass durch einen Waffenstillstand "der Raubzug legitimiert wird", sagte Scholz am Dienstag in Berlin. Die Tatsache, dass Russland sich den östlichen Teil der Ukraine mit militärischer Gewalt erobert habe, dürfe nicht dazu führen, "dass das für immer Russland ist". "Deshalb ist die Grundlage für Frieden die Einsicht der russischen Führung, dass es auch um den Rückzug von Truppen geht", sagte Scholz.
"Dann, glaube ich, wird es auch die Möglichkeit für Gespräche geben, und die ukrainische Regierung wird sich daran beteiligen, da bin ich sicher", sagte Scholz. Der Kanzler hielt am Dienstag beim internationalen Friedenstreffen der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio eine Rede und beantwortete Fragen von Teilnehmern. Ein Mitglied der Gemeinschaft, die sich dem Einsatz für gewaltfreie Vermittlung in Konflikten verschrieben hat, fragte den Kanzler, ob es nach seiner Sicht nicht ein größeres Drängen für einen Waffenstillstand in der Ukraine geben müsste.
Scholz: Waffenlieferung ist friedensethisch geboten
In seiner Rede vor den Vertretern der Gemeinschaft und verschiedenen Religionsgemeinschaften verteidigte Scholz erneut die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Er halte dies "nicht nur politisch und strategisch für erforderlich, sondern auch friedensethisch geboten", sagte Scholz. Bei den Teilnehmern des interreligiösen Friedenstreffens erntete er damit verhaltenen Applaus.
Scholz ergänzte, er sei der katholischen Deutschen Bischofskonferenz dankbar dafür, dass sie diesen Grundsatz in einer Erklärung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine unmissverständlich klargestellt habe. In der evangelischen Kirche hatten die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine eine neue friedensethische Debatte entfacht, in der sich überwiegend Befürworter, aber auch Gegner der Waffenlieferungen zu Wort gemeldet hatten.
In Berlin soll es im November ein erneutes Treffen der Initiative "Compact with Africa" geben. Dazu würden viele afrikanische und G20-Länder erwartet, sagte Scholz außerdem. Deutschland und Europa müssten sich verantwortlich fühlen für eine gute Entwicklung des Nachbarkontinents, sagte er.
Weniger Korruption, dafür investieren deutsche Unternehmen
"Compact with Africa" (Übereinkunft mit Afrika) ist eine von Deutschland 2017 angeschobene G20-Initiative. Es geht darum, dass afrikanische Länder sich verpflichten, Korruption zu bekämpfen. Im Gegenzug werden deutsche und europäische Firmen, die sich für Investitionen in diesen Ländern entscheiden, gefördert. Bisher machen zwölf Staaten mit: Ägypten, Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea, Marokko, Ruanda, Senegal, Togo und Tunesien.
Mit Verweis auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sagte Scholz, viele Länder hätten schnell gespürt, was es bedeute, wenn es einen Mangel an bezahlbarer Energie gebe und globale Lieferketten für Getreide und Düngemittel infrage gestellt würden. Deshalb brauche es die Entwicklung hin zu mehr eigenständiger Produktion bei Lebensmitteln und Düngemitteln, sagte er.
Die katholische Laiengemeinschaft Sant'Egidio wurde 1968 unter dem Eindruck der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) in Rom gegründet. Sie besteht nach eigenen Angaben aus einem Netzwerk von Gemeinschaften in 70 Ländern, denen etwa 60.000 Mitglieder angehören. Grundpfeiler der Gemeinschaft sind gemeinsames Gebet, der Einsatz für Arme sowie die Friedensarbeit. Sant'Egidio hat es sich zur Aufgabe gemacht, zwischen Konfliktparteien zu vermitteln.
Das interreligiöse Friedenstreffen der Gemeinschaft findet jährlich an wechselnden Orten statt. Zur Eröffnung am Sonntag hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Rede. Das Treffen sollte am Dienstagabend mit einer Veranstaltung am Brandenburger Tor beendet werden, bei der eine Botschaft von Papst Franziskus verlesen werden sollte.