Seit September 2022 wohne ich wieder in Stuttgart und eines der ersten Dinge, die ich im Herbst letzten Jahres gemacht habe, war meinen liebsten Ort in der Hauptstadt Baden-Württembergs zu besuchen: Die Grabkapelle in Rotenberg.
Hoch oben über den geradlinigen Weinbergen thront das besondere Bauwerk, das schon von Weitem am Horizont heraussticht und von dem aus ich über einen Großteil Stuttgarts blicken kann. Es ist als "Denkmal ewiger Liebe" betitelt, worüber ich jedes Mal ein wenig schmunzeln muss, denn glaubt man den Vermutungen, ist es doch eher ein "Denkmal tiefer Schuldgefühle".
Die Grabkapelle wurde 1820 im Auftrag von König Wilhelm I. als ewiger Liebesbeweis für seine jung verstorbene Gemahlin Katharina erbaut, heißt es auf der Webseite. Gerüchten zufolge soll Königin Katharina an einer Grippe gestorben sein, die sie sich holte, als sie ihrem Mann in eisiger Kälte nachstellte, der sie mit einer anderen Frau betrog. Laut Ärzten litt Katharina jedoch an einer Gürtelrose im Gesicht, die einen Schlaganfall auslöste, an dem sie starb.
Welcher Geschichte man auch Glauben schenken mag, die Grabkapelle bleibt eine imposante Ruhestätte. Sie wurde von Architekt Giovanni Salucci geplant und besitzt ein großes Kuppeldach, eine massive Freitreppe, ein großes, goldenes Kreuz und vier ionische Säulen, die die Vorbauten stützen. Der Innenraum wurde nach dem Vorbild des antiken Pantheon in Rom erbaut und kann für ein Eintrittsgeld von 4€ besichtigt werden. Über dem Eingang ragt die Inschrift "Die Liebe höret nimmer auf", was von vielen Besuchenden als Liebeserklärung des Königs an seine verstorbene Frau gelesen wird, jedoch ein Zitat aus dem Korintherbrief ist, der bei der Trauerfeier verlesen wurde. 1864 ließ sich König Wilhelm I. ebendort neben seiner verstorbenen Frau beisetzen, obwohl er nochmals geheiratet hatte.
Der Württemberg war der Lieblingsplatz der Königin Katharina, schon damals hatte man von dort aus eine gute Aussicht über die Weinberge auf das Neckartal. König Wilhelm I. traf mit der Beschluss die Grabkapelle errichten zu lassen eine ungewöhnliche Entscheidung: 1819 stand an dem gewählten Ort eine unbewohnte Burg, die eigentlich als kulturelles Erbe erhalten werden sollte. Darüber hinaus war es üblich die Verstorbenen der Königsfamilie in der Stuttgarter Stiftskirche beizusetzen. Jedoch hielt er sich an die Vorgabe es russischen Zarenhaus, welches forderte, dass verstorbene Familienmitglieder in russisch-orthodoxen Grabkapellen bestattet werden mussten, denn Königin Katharina kam aus Russland und gehörte zur russisch-orthodoxen Kirche. Dementsprechend wurde das Mausoleum nach den Anforderungen an einen russisch-orthodoxen Kirchenraum gebaut, so gibt es weder Orgel noch Sitzbänke. Von 1825 bis 1899 wurde die Kapelle als Kirche genutzt und noch heute wird hier jährlich zu Pfingsten in Gedenken an die Königin ein russisch-orthodoxer Gottesdienst gefeiert.
Ich verknüpfe den Besuch der Grabkapelle immer gerne mit einem Spaziergang durch die Weinberge. In dem nahegelegenen Park "Egelseer Heide" am Waldrand gibt es einen Spielplatz und die Möglichkeit zu grillen. Ich habe mir an diesem sonnigen Nachmittag aber eine Zimtschnecke aus der Stadt mitgenommen, die ich auf einer Parkbank mit Blick auf die saftig-grünen Reben und die Stadt im Hintergrund genieße. Es tut gut dem Lärm der Hauptstadt zu entfliehen und den Vögeln zu lauschen.
Wenn am Abend die Sonne untergeht, ist die Aussicht auf dem Rotenberg einfach nur atemberaubend und auf jeden Fall eine Reise wert. Mit Blick auf das goldglänzende Kreuz der Kapelle danke ich Gott, dass die kleinen Oase im Alltag, an denen man einfach nur staunen und zur Ruhe kommen darf, oft so nah liegen - denn der Bus fährt alle zwanzig Minuten hier hoch.
Falls Sie diesen Sommer keinen Ausflug nach Stuttgart unternehmen können, gibt es die Möglichkeit über die App "Monument BW" trotzdem einen Eindruck von der Grabkapelle zu bekommen. Nützlich ist die App aber auch als digitaler Reiseführer vor Ort.