Erlöserkirche Bad Homburg
Sebastian Watta
Für die Byzantiner war alles Überirdische golden. Auch die Erlöserkirche in Bad Homburg nimmt das auf. Sie ist die evangelische Hauptkirche der Kurstadt.
evangelisch.de-Ausflugstipp
Der goldene Himmel
Westliches, östliches und doch streng protestantisch: alles in einem Bau. Die Erlöserkirche in Bad Homburg zeigt als architektonischer Mix die Vorstellung vom Himmel auf Erden, wie sie die Byzantiner, die Normannen auf Sizilien und das letzte deutsche Kaiserpaar hatten. Ein Reisetipp von Markus Bechtold, Portalleiter evangelisch.de.

Wie bauen wir den Himmel auf Erden? Wie baut man das Haus Gottes, wenn man Gott überhaupt eine irdische Wohnung geben will? Um das herauszufinden, lohnt sich eine Reise ins hessische Bad Homburg.

Mit der rechten Hand öffne ich die schwere Eingangstür zur Erlöserkirche, gestiftet von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gemahlin Auguste Victoria und erbaut von 1903 bis 1908, wie eine schwere Bronzetafel in der Eingangshalle verkündet.

Ich trete durch das Portal. Draußen stand ich eben noch in der mondänen Kurstadt Bad Homburg vor der Höhe in der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main. Champagnerluft und Kurflair, eine Spielbank gibt es hier schon seit 1841. Daher sagen sie, Homburg sei die Mutter von Monte-Carlo. Drinnen tut sich eine neue Welt auf. Über mir wölbt sich ein blauer Himmel mit goldenen Mustern, irgendwas zwischen Sternen und Blüten.

evangelisch.de-Portalleiter Markus Bechtold betritt den kaiserlichen Kirchenbau.

Ich gehe weiter und traue meinen Augen nicht. Eben noch in Hessen, scheint es, als sei ich mit einer Zeitmaschine durch die Jahrhunderte gereist, und Byzanz erstrahlt in altem Glanz. Nun wölbt sich ein goldener Himmel über mir. Die Ornamente, die kunstvoll an den Wänden und Decken angebracht sind, beginnen zu leuchten. Durch die Kirchenfenster lassen die Strahlen der heißen Augustsonne die Ornamente wie Edelsteine funkeln.

Alles ist mit Mosaiken bedeckt: die Wände, die Bögen, die riesige zentrale Kuppel und das Gewölbe über dem Altarraum. Alles leuchtet in Gold, in Blau, in Grün und anderen Farben. Die kleinen Steinchen der Mosaike sind zueinander leicht gekippt, so dass sie das Licht unterschiedlich reflektieren. Die Wände und die Kuppel scheinen fast in Bewegung. Hatte man von außen den Eindruck eines wehrhaften, burgähnlichen neuromanischen Kirchenbaus mit Türmen und riesigen Portalen mit steinernen Figuren wie die der Apostel oder eines Löwen, so ist man im Inneren wie in einer anderen Welt. Man fühlt sich wie auf Sizilien, in einer der normannischen Kirchen des Mittelalters mit ihren byzantinischen Mosaiken. Nur dass hier nichts in die Länge, sondern alles in die Höhe geht.

Ein tiefer Blick in den Innenraum.

Die Kuppel zieht als goldener Himmel alle Blicke nach oben, und wie in den griechischen oder heute in der Türkei stehenden byzantinischen Kirchen erwartet man in der Kuppel eine Gottesdarstellung - den Pantokrator, umrahmt von vier Seraphim, den sechsflügeligen Engeln seines Hofstaates. Die Seraphim gibt es auch in Bad Homburg, aber das zentrale Zeichen ist ein anderes: Hier hängt ein hell leuchtendes Kreuz von der Kuppel herab. Aber auch der Pantokrator fehlt nicht. Hier ist er im Gewölbe der Apsis, mit Weltenkugel und segnender Hand, und blickt als ungewöhnlich modern wirkender Gottessohn den Gläubigen entgegen.

Gott zu loben ist seine Aufgabe: Ein Seraphim in der Erlöserkirche.

Es ist ein Schauspiel, das die Grenzen zwischen Himmel und Erde verschwimmen lässt und die Besucher:innen in einen Moment zeitloser Schönheit zieht. Ich setze mich auf eine Kirchenbank und lege den Kopf in den Nacken. Für die Byzantiner war der Himmel golden. Alles Überirdische, ob Szenen aus der Bibel, an den Wänden der Kirchen oder eben die Darstellung Gottes selbst in deren Zentrum, sie alle waren vor den hellen Glanz der mit Goldfolie überzogenen Mosaiksteinchen gestellt.

Man könnte irritiert sein, dass dies ein evangelischer Kirchenbau sein soll. Aber die etwas wilde Mischung verschiedenster Stile mit einem Hauch von Orient war in ihrer Zeit sehr beliebt. Das gilt auch für evangelische Kirchen, besonders als kaiserliche Bauprojekte. Man denke an die Gedächtniskirche in Berlin. Dort sind in der Vorhalle noch die ursprünglichen Mosaiken zu sehen - ganz ähnlich wie hier in Bad Homburg, wo der gesamte Kirchenbau erhalten ist. Die Ähnlichkeit ist nicht verwunderlich. Denn Franz Schwechten, der Architekt des Berliner Baus, hatte zwischenzeitlich die Bauleitung der Erlöserkirche übernommen.

Von weithin sichtbar: die Erlöserkirche in Bad Homburg.

Als ich die Erlöserkirche verlasse, spüre ich, wie dieser Moment der Stille und Schönheit in mir nachklingt. Der goldene Himmel der Erlöserkirche ist eine Quelle des Staunens über die menschlichen Vorstellungen vom Überirdischen.