Kirche und AfD
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Für Kirchenverantwortliche stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der AfD in Diskussionsrunden und Kirchenkreisen.
Kirche, Theologie und AfD
Seit September 2017 bildet die "Alternative für Deutschland" die stärkste Oppositionskraft im Bundestag und ist spätestens seitdem fester Bestandteil der politischen Landschaft geworden. Für Kirchenverantwortliche stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der AfD, ihren Anhängern und Funktionären.

Darf man sie zu Diskussionen in Gemeinden einladen, ihnen damit aber ein Podium bieten oder sollte man die AfD ignorieren? Eine Fachtagung unter Federführung des AK Politische Theologie, ein bundesweiter Zuammenschluss junger Theologinnen und Theologen aus der ganzen Bundesrepublik, ist jetzt in Frankfurt am Main dieser Frage nachgegangen.

Für die evangelische Pfarrerin Josephine Furian ist die Sache klar. Ihr Geld verdient sie als Seelsorgerin in der Erstaufnahmestelle Einsenhüttenstadt und als Pfarrerin für Flüchtlingsarbeit im Sprengel Görlitz. Als Theologin engagiert sie sich darüber hinaus im befreiungstheologischen Netzwerk "Antifaschistische Kirchen". Zu ihren Aufgaben zählt sie nicht nur, möglichst viele Aufkleber und T-Shirts mit ihrem Symbol zu vertreiben, sondern beispielsweise auch Pfarrerinnen und Pfarrern Unterstützung zukommen zu lassen, die in Konflikt mit der AfD und anderen rechten Strömungen geraten.

Diese Aufkleber des Netzwerks "Antifaschistische Kirchen" vertreibt die Theologin aus Görlitz..

"Es hat weniger mit Mut zu tun, als mit der Notwendigkeit, dass wir da handeln müssen. Wenn wir Christinnen und Christen sind, müssen wir uns gegen Rassismus stark machen und positioniert auftreten gegen Homo-Feindlichkeit. Und beides läuft in der AfD zusammen", sagt die 32-jährige Pfarrerin.

Noch sei das Pfarrpersonal in ihrer Landeskirche nicht vom rechten Gedankengut infiziert. Da müsse man sich aber immer zur genaueren Prüfung die Predigten anhören oder Äußerungen auf Pfarrkonventen aufmerksam verfolgen.Von den rund 800 Pfarrkolleginnen und -kollegen in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, kurz EKBO, seien bislang nur ganz wenige auffällig geworden, sagt Furian.

Kirchenasyl als Gradmesser

Wieviel Unterstützung genießt die AfD aber in den Kirchengemeinden selbst? Ein vielleicht anderer Gradmesser sei die Bereitschaft, Kirchenasyl zu gewähren, oder eben auch nicht, meint Furian.

"Wir haben 2019 in der EKBO ca. 86 Menschen Kirchenasyl gewährt. Davon waren etwa 52 in Berlin, gut 20 im Sprengel Potsdam und nur sechs Menschen in meinem Sprengel Görlitz. Das spiegelt sich eben in den Wahlergebnissen wider. Da war in den Dörfern von 20 bis 46% für die AfD allles dabei", weiß Furian.

Heißt, AfD-Wähler und -Sympathisanten finden sich gerade auch in Kirchengemeinden. Und genau das sollte man auch thematisieren. Oder lieber nicht? Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland hat dazu eine Broschüre herausgegeben: "Reden in schwierigen Zeiten". Der evangelische Gemeindepädagoge David Begrich plädiert darin dafür, dass jede Kirchengemeinde ein guter Ort für eine Kultur des Zuhörens sein sollte, aber es gebe auch Grenzen. Nämlich da, wo eine Verrohung der politischen Sprache und fehlende Dialogbereitschaft zu Tage tritt. Ähnlich sieht das auch Christhard Wagner, Beauftragter der Evangelischen Kirche beim Landtag und Landesregierung in Thüringen. AfD-Funktionäre in Kirchengemeinden zur Parteiendiskussion einzuladen, lehnt er ab.

"Wer meint, auf derartigen Podien Rechtspopulisten entzaubern zu können oder zu einem vernünftigen Austausch von Argumenten zu kommen, täuscht sich. Das Ziel der 'Wortergreifungsstrategien' ist nicht der Diskurs. Es heißt Propaganda", schreibt Wagner.

Gründliche Vorbereitung das A und O

Ganz anders hat der evangelische Pfarrer Frank Hiddemann, Leiter der Ökumenischen Akademie Gera, in einer umstrittenen Reihe eben diesen Dialog mit der AfD versucht. Er lud alle Parteienvertreter ein zur Diskussion über Migration, Nationalismus, Innere Sicherheit, Familie, Medien, Religion und Geschichtsdeutung. Natürlich versuchten die AfD-Vertreter jeweils zu dominieren. Aber genau damit müsse man sich coram publico [öffentlich] auseinandersetzen, schreibt Hiddemann: "Wir können froh sein über jeden, der nicht aufhört, uns zu provozieren. Ich warne davor, so zu tun, als seien wir die Normalen und sie die Abweichungen. Wir sind nicht die Lehrer und sie sind nicht die Zöglinge. Wir erreichen die Menschen nur auf Augenhöhe."

Das sei allerdings ohne gründliche Vorbereitung schlecht möglich, meint die Praktische Theologin Sonja Strube von der Universität Osnabrück. Viele AfD-Funktionäre und andere Vertreter der so genannen "Neuen Rechten" seien rhetorisch gut geschult, belesen etwa in der "Jungen Freiheit", die unter Fachleuten als die Hauspostille der AfD gilt. Auch das "Institut für Staatspolitik" (IfS) in Schnellroda lässt AfD-Politiker nicht unvorbereitet in Diskussionen gehen. Dahinter stecke Götz Kubitschek.

Kommunikationsstrategien durchschauen

Die Strategie der AfD: Etwa würden viele AfDler als unbescholtene und harmlose Bürger auftreten, die lediglich zum Wohle aller den vermeintlichen Volkswillen artikulieren würden. Das sei eine typische Mimikry-Camouflage-Taktik. Die andere heißt "Selbstverharmlosung", das sich in eine Reihe stellen mit anerkannten Personen der deutschen Widerstandsgeschichte beispielsweise. So beziehen sich nicht wenige auf die Geschwister Scholl oder Stauffenberg als nationalkonservative gute Deutsche, die damals gegen Hitler kämpften, so wie die AfD heute als gute deutsche Volksvertretung gegen die "Merkel-Diktatur" kämpfe. Eine weitere Strategie ist es, sich unverdächtigere Koaltionen im bürgerlichen Milieu zu suchen. So habe die AfD den Tierschutz entdeckt. Der ursprünglich von der NPD stammende Slogan "Umweltschutz ist Heimatschutz" ist längst von der AfD übernommen worden. Auch das evangelikale und erzkatholische Engagement gegen Abtreibungen und für den Schutz des ungeborenen Lebens sei von Anfang an Teil der AfD-Gründungs-Agenda gewesen.

 

Wer sich also in der Kirchengemeinde oder an anderen Orten dafür entscheidet, den öffentlichen Gedanken- oder besser Schlagabtausch mit der AfD zu suchen, sollte sich darauf ziemlich gut vorbereiten.

Die Auseinandersetzung mit der AfD sei aber letztlich eine Auseinandersetzung mit sich selbst, sagt Pfarrerin Josephine Furian: "Wir können nur Teil der Lösung sein, wenn wir uns auch als Teil des Problems verstehen. Wenn wir sehen, dass wir auch Sexismus, Homofeindlichkeit, Rassismus haben. Das sind Werte, die unter Evangelischen höher sind als unter Konfessionslosen. Da müssen wir ran."