Herr Dröge, es gibt die Bundesvereinigung "Christen in der AfD". Können Sie verstehen, dass es Glaubensgeschwister bei der Alternative für Deutschland gibt?
Markus Dröge: Das kann ich nur schwer nachvollziehen, denn es gibt viele Thesen bei der AfD, die ich mit dem Christentum gar nicht in Verbindung bringen kann. Es sind Thesen, wo es darum geht, Menschen auf Grund einer bestimmten Kultur oder Zugehörigkeit auszugrenzen und nur eine völkische Gemeinschaft wieder stark zu machen. Diese Auseinandersetzung zwischen Christentum und völkischem Denken haben wir eigentlich hinter uns. Wer sich auf Jesus Christus beruft, der muss sich öffnen, der muss für die Würde aller eintreten.
Also können AfD-Mitglieder - oder zumindest AfD-Funktionäre - keine Gemeindekirchenräte in Ihrer Landeskirche werden?
Dröge: Die Grundordnung unserer Landeskirche geht nicht auf Parteipolitik ein, die AfD ist nicht im Zentrum des Interesses. Es sind grundsätzliche Aussagen, die wir schon vor mehreren Jahren in der Grundordnung unserer Kirche festgelegt haben. Es geht um die ethische Haltung von Menschen. Wir können zwar die innere Haltung nicht prüfen. Wir können aber prüfen, was Menschen sagen. Wer sich menschenfeindlich äußert und bestimmte Menschengruppen diffamiert, kann kein kirchliches Amt bekommen. Da weiß ich auch nicht, was das mit Christentum zu tun haben soll und mit Arbeit in unserer Kirche.
"In welcher Welt lebt ihr eigentlich? Jedenfalls nicht in der realen Welt!"
Aber die Alternative für Deutschland hat sensationelle Wahlerfolge und Sie müssen doch damit rechnen, dass es auch in den Kirchengemeinden viele Sympathisanten und Wählerinnen der AfD gibt.
Dröge: Ja, die AfD wird uns wohl noch länger beschäftigen. Wir brauchen auch in den Kirchengemeinden vor Ort eine sachliche Auseinandersetzung mit den Personen, die sich von der AfD-Rhetorik und von den Thesen der AfD angesprochen fühlen. Natürlich weiß ich, dass diese Populismuswelle bis in die Kirchengemeinden vordringt. Wir müssen offen diskutieren: Warum fangen Menschen an, sich von solchen Thesen angesprochen zu fühlen? Warum glauben sie tatsächlich, dass eine Abschottung unseres Landes eine Zukunft für unser Land bietet? Dagegen sprechen alle Fakten der realen Welt. Und damit müssen wir uns auseinandersetzen.
Und wie wollen Sie mit der AfD außerhalb der Kirche umgehen? Es gibt bei anderen zivilgesellschaftlichen Kräften, zum Beispiel den Gewerkschaften, Diskussionen, ob man sich zusammen mit AfD-Politikern aufs Podium setzen sollte, um deren Phrasen und Ideologie zu demaskieren.
Dröge: Ich stehe nicht dafür zur Verfügung, öffentliche Schaukämpfe aufzuführen. Das würde die AfD nur aufwerten. Insgesamt glaube ich, dass die AfD viel zu viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommt. Die Thesen, die vertreten werden, bringen meist keinerlei neuen Erkenntnisgewinn. Sie werden nur deshalb medial aufgegriffen, weil sie dramatisieren, weil sie Angst machen. Leider gehen die Medien zu stark darauf ein. Darüber könnte man noch ganz anders berichten, indem man aufdeckt, welche Thesen der AfD wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Ich sehe nicht, dass wir als Kirche diese Welle mitmachen, die die Medien weiter treiben: Dass man immer wieder eine Aufwertung der AfD betreibt, auch da, wo inhaltlich wirklich nichts geboten wird.
Also sollte man die AfD auch nicht zum Kirchentag 2017 einladen, ähnlich wie beim Katholikentag in Leipzig in diesem Jahr?
Dröge: Ich glaube, es war nicht sehr geschickt, dass die katholische Kirche auf ihrem großen Tag diese parteipolitische Entscheidung getroffen hat. Das hat die Berichterstattung dann zu stark bestimmt. Ich finde, man muss die Kritik an jedem einzelnen AfD-Politiker festmachen, daran, welche Thesen er vertritt. Denn wir sind parteipolitisch nicht festgelegt.
Das Interview wurde am Samstag, 12.11., noch einmal aktualisiert.