Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
AfD und Religionsfreiheit: Gefährliche Grundhaltung
Der vollständige Text des neuen Grundsatzprogrammes der "Alternative für Deutschland" (AfD) ist noch nicht mit allen Änderungen veröffentlicht, aber aus den Diskussionen auf dem Parteitag der jungen rechtskonservativen Protestpartei lässt sich schon eines ablesen: In Sachen Religionsfreiheit hält die AfD nichts von universellen Rechten. Diese Grundhaltung ist gefährlich.

In dem von der AfD-Parteiführung vorgelegten Programm steht zwar, die AfD bekenne sich zur Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, und auch Bundesvorsitzender Jörg Meuthen hatte beim Parteitag die Religionsfreiheit als "hohes Gut und Bestandteil der deutschen Kultur" bezeichnet.

Zugleich aber heißt es im Entwurf: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." In der Präsenz von Muslimen "sieht die AfD eine große Herausforderung für unseren Staat". Minarette, öffentliche Muezzinrufe und die Verschleierung durch Burka und Niqab lehnt die Partei ab. Die öffentlichen Symbole einer bestimmten Religion will die AfD also verbieten. Religionsfreiheit ist das nicht.

Gerade bei der Position zur Vollverschleierung offenbart sich eine gefährliche Tendenz innerhalb der AfD. Denn das Verbieten des Gesichtsschleiers im öffentlichen Dienst ist die eine Sache - Beamte und Staatsangestellte müssen als Vertreter des Staates auch als Personen erkennbar sein. (Deswegen braucht es übrigens auch eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, wie die Proteste am Rande des AfD-Parteitags zeigten.)

Die Vollverschleierung aber auch "in der Öffentlichkeit" verbieten zu wollen, wie der Parteitag beschlossen hat, zeigt, dass die AfD trotz allen Klagens über politische Eliten und die "ideologiegetriebene Expansion der Staatsaufgaben" (Seite 4 des Programmentwurfs) sehr wohl gesetzlich über das Privatleben einer ausgewählten Gruppe von Bürgern und Bürgerinnen verfügen möchte.

Darin zeigt sich eine staatsphilosophische Haltung, die auf Dauer gefährlich ist: Die AfD ist nämlich willens, Menschen in Gruppen einzuteilen, die verschiedene Rechte haben. Dem Programm zufolge haben alle Nichtmuslime das Recht, Symbole ihrer Religion öffentlich zu zeigen. Mit Kirchtürmen und Glockenklang hat die AfD offensichtlich kein Problem. Muslime dürften das aber nicht.

Eine freie Ausübung von Glaube und Religion sieht anders aus.

Käme die AfD an eine Regierungsmehrheit, wäre auch die Frage berechtigt, ob es bei Religionszugehörigkeit bleibt. Oder würde auch die Mitgliedschaft in bestimmten Parteien verboten? Oder lange Haare bei Männern? Der Weg dazu wäre bereitet.

Die Totalablehnung einer Religion

Ein so grundsätzliches Freiheitsrecht wie die Religionsfreiheit im Privatbereich einzuschränken, ist bisher ein Merkmal von totalitären und staatsreligiösen Regimen. Die AfD würde mit Muslimen in Deutschland in letzter Konsequenz das gleiche machen wie Saudi-Arabien mit Christen: Die Ausübung der Religion müsste ins Geheime verschwinden, so dass man es nach außen hin nicht sieht.

Selbst die Unterstützung für "das Bestreben von Islamkritikern, über den Islam aufzuklären, Reformen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft anzustoßen und den Islam an die Normen und Werte der aufgeklärten Moderne anzupassen" (Seite 34 im Programmentwurf), hat der Parteitag Beobachtern zufolge nicht im Programm gelassen.

Es ist eine Totalablehnung einer Religion, die die AfD hier propagiert. Sie geht weit über die Kritik an einem politisch-extremistischen Islam hinaus, die auch europäische Islamwissenschaftler teilen. Alexander Gauland, stellvertretender AfD-Vorsitzender, hat das im Interview mit der "Zeit" auf den klaren Satz gebracht: "Ich will nicht, dass der Islam in Europa ist." Aber wer die Freiheit einer Religion einschränkt, greift damit auch alle anderen an. Ein Grundrecht, das nicht für alle gilt, ist kein Grundrecht mehr. Gegen so ein alternatives Deutschland sollten Christen, Juden, Muslime und alle freiheitsliebenden Menschen gemeinsam protestieren.