Fast 50 Jahre missionierte die selbsternannte Prophetin Gabriele Wittek. Was geschieht nach ihrem Tod mit dem Wirtschaftsimperium des "Universellen Leben", vormals "Heimholungswerk Christi"? Im Interview erläutert der Theologe und Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Bayern, Matthias Pöhlmann, was es mit der Gruppierung auf sich hat.
Offenbar ist die 91-jährige Gründerin von Universelles Leben, Gabriele Wittek, diese Woche gestorben. Gibt es eine Nachfolgerin für die selbsternannte Prophetin?
Matthias Pöhlmann: Es wird keine Nachfolgerin geben. Das hat Gabriele Wittek schon in früheren Zeiten gesagt. Nach ihr wird keine Lehrprophetin und kein Lehrprophet mehr kommen. Es gab mal Versuche, die eigene Tochter als Nachfolgerin aufzubauen, was aber nicht gelungen ist. Also das bedeutet, es wird keine Nachfolgerin, keinen Nachfolger geben.
Womit ist die neureligiöse Bewegung bekannt geworden – Wittek soll ja sogenannte Privatoffenbarungen von Christus selbst bekommen haben?
Pöhlmann: Ihr Berufungserlebnis soll sie am 6. Januar 1975 gehabt haben. Sie hörte die Stimme Christi und zwar als Daueroffenbarung nach dem Tod ihrer Mutter. Und dann bildete sich so langsam das sogenannte "Heimholungswerk Jesu Christi" heraus. 1984 erfolgte dann die Umbenennung in "Universelles Leben". Die Bewegung beruft sich auf die Bergpredigt. Und bekannt geworden ist das "Heimholungswerk" damals auch durch das Engagement von vielen Geschäftsleuten.
Die sogenannte Prophetin war besonders in Unterfranken aktiv, ihre Organisation hat dann ein größeres Wirtschaftsimperium aufgebaut. Was genau war das?
Pöhlmann: Im Laufe der Zeit wurden sogenannte Christusbetriebe gegründet. Christus als Geschäftsmodell sozusagen. Man fokussierte sich etwa auf Biokost. Mit dem Zweig "Lebe gesund" - das ist eine Umfeldinitiative des "Universellen Lebens". Und mittlerweile gibt es auf über 40 Wochenmärkten in Deutschland solche Marktstände "Lebe gesund" und einen großen Versandhandel, angefangen vom Münchener Viktualienmarkt bis nach Heidelberg und Frankfurt. Unter anderem gibt es auch Geschäfte, etwa in Nürnberg, wo nicht nur vegane Produkte verkauft werden, sondern eben auch Bücher. Und es war sogar gelungen, eine eigene Schule in Esselbach in Unterfranken genehmigt zu bekommen, eine Privatschule.
Noch mal zu den Büchern – wo werden die verkauft?
Pöhlmann: Es gab einige Bauaktivitäten in Marktheidenfeld-Altfeld in Unterfranken. Dort gibt es ein Gewerbezentrum, wo das "Universelle Leben" ein Einkaufsland betreibt. Dort befindet sich auch die sogenannte Sophia-Bibliothek, wo eben Bücher, DVDs vom "Universellen Leben" verkauft werden. Dort finden auch immer wieder regelmäßig Veranstaltungen statt. In den letzten Jahren hat man auch eine Art eigenes Heiligtum errichtet: "das Zelt Gottes bei den Menschen".
Der neureligiöse Verein hat nicht nur eigene Verlage, sondern auch Radiosender bzw. einen Fernsehsender, wo dann als Livestream oder digital über Satelit auch Werbefilme liefen für die eigenen Produkte und Diskussionsrunden mit Blick auf diese Privat-Offenbarungen der Gabriele Wittek, die sie fast 50 Jahre erhalten haben soll. In den letzten Jahren wurde es recht still um das "Universelle Leben". Die letzte Offenbarung sei angeblich Ende Mai 2024 erfolgt.
Wohin fließt das Geld?
Pöhlmann: Schwer zu sagen. Von außen betrachtet, ist das ein undurchschaubares wirtschaftliches Geflecht. Das kann man als Einzelner gar nicht so genau so durchschauen, wie da jetzt genau die finanziellen bzw. wirtschaftlichen Verquickungen aussehen.
Können Sie noch kurz die Lehre von Wittek und "Universelles Leben" skizzieren?
Pöhlmann: Sie bezeichnen sich selber als Urchristen. Von Anfang an stand eben die massive Kritik und Aggressivität gegenüber den christlichen Kirchen im Vordergrund. Die Kirche habe die Bibel entstellt und ihre Priester hätten die Inhalte verfälscht, heißt es. Im Jahr 2000 gab es sogar den Antrag von Anhängern des "Universellen Lebens", die Bibel auf den Index der jugendgefährdenden Schriften setzen zu lassen. Und es gibt Veröffentlichungen, wo es heißt: "Schlagt die Bibel zu!".
Es gab viele Prozesse des Vereins gegen die Evangelische Kirche in Bayern. Die Neuoffenbarungen von Gabriele Wittek sind für die Lehre des "Universellen Lebens" zentral. So gibt es eine eigene Bibel, in der viele nichtchristliche Gedanken zu finden sind: etwa die Idee von Karma und Reinkarnation, die als urchristliche Lehre verbreitet wird. Damit soll das Schicksal des Einzelnen und ganzer Völker verständlich und erklärbar sein. Hinzu kommen endzeitliche Vorstellungen, die schon immer im Glaubenssystem eine Rolle gespielt haben.
Warum diese Ablehnung der Bibel – aus Konkurrenzdenken?
Pöhlmann: Meiner Ansicht nach war Gabriele Wittek mit ihren Offenbarungsbotschaften das Zentrum des "Universellen Lebens". Sie hat sich als das absolute Gesetz letztendlich verstanden. In den letzten Jahren wurde die Bedeutung der Lehrprophetin massiv überhöht: Aus Schwester Gabriele wurde die Inkarnation der göttlichen Weisheit. Kritik war nicht möglich. Und das bezieht sich auch auf ihre Lehre. Dabei gibt es zahlreiche Aussteigerberichte, die aus früheren Jahren stammten. In der letzten Zeit sind Aussteigerberichte nicht mehr bekannt geworden.
Im Blick auf die Umfeldinitiative "Gut zum Leben" wird es weitergehen. Vor allem durch diese wirtschaftliche Ausrichtung, Marktstände und Versandhandel von "Lebe gesund". Spannend wird sein, wie die Machtverhältnisse intern jetzt geregelt sind. Das bleibt abzuwarten. Viele neue religiöse Impulse sind meines Erachtens nicht mehr zu erwarten. Vielmehr scheint man im "Universellen Leben" schon länger dazu übergegangen zu sein, Witteks Erbe zu verwalten.