Überschwemmungen in Polen
Michal Meissner/PAP/dpa
Ein Blick auf überschwemmte Gebiete in Skorogoszcz in Polen.
Flutkatastrophe in Polen
Wie polnische Kirchengemeinden Betroffenen helfen
Das Hochwasser in Polen und in etlichen Nachbarländern versetzt Betroffene in Angst und Schrecken. In vielen Regionen und Städten schweben Menschen in Gefahr und hoffen auf baldige Entwarnung. Evangelische Kirchengemeinden, die von der desaströsen Flutwelle weitgehend verschont blieben, engagieren sich für Betroffene in Krisengebieten. Ein Bericht von Darius Bruncz.

Noch wach ist die Erinnerung an das Jahrhunderthochwasser in Polen von 1997 als die Flutwelle ganze Dörfer, Städtchen und sogar Großstädte wie Wroclaw und Oppeln überflutete. Bemerkenswert ist, dass die 2022 für Netflix mit enormem Aufwand gedrehte Serie über die Flutereignisse vor 27 Jahren, zu den populärsten Filmen des Streamings-Anbieters noch bis kurz vor der aktuellen Katastrophe gehörte und im Zusammenhang mit den live übertragenen Aufnahmen in Nachrichtenkanälen wie ein Schmerzverstärker wirkt. Das Gestern ist wieder Heute, nur mächtiger und rücksichtsloser trotz des technischen Fortschritts. 

Seit 1997 wurde viel in die Wasser- und Sicherheitsinfrastruktur investiert. Damals konnten die großen Anlagen in weiten Teilen Niederschlesiens und des Oppelner Schlesiens die zerstörerische Macht der Regenfälle leider nicht aufhalten. Von der Wiederholung der Fluttragödie von 1997 ist die evangelisch-lutherische Gemeinde zu Oppeln diesmal verschont geblieben.

"Um so mehr fühlen wir uns verpflichtet, die gegenwärtigen Opfer der Flut mit Hilfeleistungen zu unterstützen", sagt Wojciech Pracki, der Gemeindepfarrer von Oppeln ist, am Telefon. Er sei gerade auf dem Weg nach Kattowitz, von wo er Trockengeräte von der Kattowitzer Diözese der Evangelisch-Augsburgischen (Lutherischen) Kirche in Polen abhole. Diese will ihm Diözesanbischof Marian Niemiec übergeben. Er war in den 90er selbst Pfarrer in Oppeln und musste hilflos mitansehen, wie das Wasser in seine Kirche eindrang. 

Bischof Marian Niemiec übergibt Trockengeräte

Das diesjährige Hochwasser übersteigt jedoch das Ausmaß der Katastrophe von 1997. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung drängte das Flutwasser nach Wroclaw hinein, aber alle hofften, dass die alten und die in den letzten Tagen neu aufgebauten Dämme halten. Manche Stadtteile mit neuen Wohnbezirken sind bedroht. Die Stadtbewohner waren Tag und Nacht an der Verfestigung der Dämme beteiligt. Die nächsten Tage werden entscheidend sein. 

In Wroclaw befindet sich das größte Evangelische Diakonie- und Bildungszentrum Polens (ECDiE). Der Direktor, der nach dem Reformator Martin Luther genannten Einrichtung, Robert Sitarek, ist zugleich Gemeindepfarrer von K?odzko (dt. Glatz). Das etwas höher gelegene Gemeindehaus, in dem sich auch die für Gottesdienste genutzte Kapelle befindet, war durch das Flutwasser nicht bedroht, anders als die Stadt und der ganze Kreis, wo man jetzt allmählich die Verwüstungen beseitigt und die Schäden einschätzt.

Beim Aufräumen werden die Schäden sichtbar

"Wir befinden uns derzeit in einer Übergangsphase zwischen den Räumungsarbeiten, dem Wiederaufbau und dem, was noch kommen mag. Man muss vernünftig helfen und die Krise so managen, dass die Betroffenen nicht überrascht und die vorhandenen Kapazitäten zielführend eingesetzt werden", sagt Sitarek. Gefragt, ob die ECDiE-Einrichtung vom Flutwasser bedroht sei, erwidert er, dass niemand sicher sei, bis die hydrologische Lage geklärt sei und man wisse, wie sich das Flutgeschehen entwickeln werde. 

Die evangelischen Kirchengemeinden in den Hochwassergebieten wurden weitgehend von der Katastrophe verschont. Betroffen sind aber einzelne Gemeindeglieder, denen auch geholfen wird. In der Kirchengemeinde Cisownica im Teschener Land wurde der Kirchenkeller, mit seinen Jugendsälen und anderen Gemeinderäumlichkeiten, überflutet. Die Kirche selbst erlitt keinen Schaden. Ähnlich ist es in Wis?a-Zentrum und in anderen Kirchengemeinden. 

Nasse Kirchenmauer und ein beschädigtes Dach

Im niederschlesischen Wa?brzych (Waldenburg) ist nur das Kirchendach beschädigt und die Kirchenmauer sind durchnässt worden. "Vor uns liegen kostspielige Renovierungsarbeiten, aber im Vergleich dazu, was anderswo passiert, sind wir in einer guten Lage und wollen auch Menschen in Not helfen, die vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens stehen" , sagt Gemeindepfarrer Marek Bo?ek. "Wir wollen keine Alleingänge machen und schließen uns deshalb mit unseren Initiativen den regionalen Krisenstäben an", fügt er hinzu. 

Das überflutete Jelenia Góra (Hirschberg)

"Unseren Stadtteil und die Kirche haben die Wasserdämme aus dem 19. Jahrhundert gerettet", sagt erleichtert Pfarrer Sebastian Kozie? von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Hirschberg-Warmbrunn. "Nach der damaligen Flutkatastrophe, bei der man die Natur ganz genau beobachtete, konnten Lösungen gefunden werden, die uns heute, über 100 Jahre später gerettet haben", meint Kozie?. Die Stadt und die Umgebung habe leider viel Zerstörung hinnehmen müssen, erzählt er weiter.

Europa hilft

In die Krisengebiete reist nicht nur die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, sondern auch Vertreter der deutschen Hilfsorganisationen. Der Präsident der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler, wird demnächst in den Krisengebieten erwartet. "Die Gesamtbilanz der Schäden ist noch nicht bekannt, da die Flutwelle immer noch weitere Orte erreicht. Wir wissen aber schon jetzt, dass die Bewältigung der Folgen dieser Katastrophe enorme Ausgaben und jahrelange Arbeit erfordern wird. Deshalb rufen wir Sie in dieser schwierigen Zeit auf, gemeinsam mit uns, den von der Flut betroffenen Menschen zu helfen", appellieren in einem gemeinsamen Aufruf, der leitende Bischof der polnischen Lutheraner und der Diakoniepräsident, die Bischöfe Jerzy Samiec und Ryszard Bogusz.

"Wir haben einen Spendenanruf gleich in drei Sprachen veröffentlicht und wir bekommen laufend Signale von unseren Partnerorganisationen in Deutschland, aber auch in Schweden (Partnerdiözese von Uppsala), mit denen wir im ständigen Austausch sind. Es gilt die Hilfe zu koordinieren und so schnell, wie möglich, konkrete Hilfeleistungen zu schicken. So wie es letztens mit etwa 60 Trockengeräten geschah", sagt Wanda Falk, Generaldirektorin der polnischen Diakonie (Diakonia Polska). Falk bekräftigt, dass die Katastrophe neue Herausforderungen mit sich gebracht habe, da auch die ukrainischen Flüchtlinge, die schon einmal ihr Hab und Gut verloren hätten, wieder in eine beklagenswerte Lage geraten seien. "Auch ihnen und den gastgebenden Familien muss geholfen werden", betont Wanda Falk.