Bücher auf Stapeln und ein aufgeschlagenes Buch
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Eliport stellt vier Bücher der Longlist der Nominierungen für den diesjährigen deutschen Buchpreis vor.
Blick in die Literatur: Buchtipps
Bücher aus der Longlist des Deutschen Buchpreises
Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verliehen und würdigt den besten deutschsprachigen Roman des Jahres. Ende August wurde die diesjährige Longlist des renommierten Preises veröffentlicht. Darauf ist auch die Evangelische Buchpreisträgerin des Jahres 2021, Iris Wolff, mit ihrem neuen Roman "Lichtungen". Grund genug für das Evangelische Literaturportal diese Woche einen Blick auf ihren und drei weitere Romane der aktuellen Longlist zu werfen.

Die erste Lesung des Preisträgers oder der Preisträgerin findet übrigens in Göttingen, dem Sitz des Evangelischen Literaturportals, im Rahmen des Göttinger Literaturherbstes am 19. Oktober 2024 statt.

Von Norden rollt ein Donner

Sturmhöhe trifft Herrmann Löns, trifft Moderne

Die Lüneburger Heide ist ein beliebtes Urlaubs- und Ausflugsziel. Urige Bauernhäuser, weite Heidefläche und ihre berühmten Heidschnucken erwecken einen rundum idyllischen Eindruck. Dass sie auch düster kann, lernen wir in diesem Buch. Jannes (19) lebt mit seinen Eltern und seinem Großvater in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide. Sie sind Schaf- und Ziegenhirten. Jeden Tag geht es mit den Tieren raus in die Natur, jeden Abend wieder zurück.

Gern wird Jannes von Touristen angesprochen, die ihn um dieses einfache, naturnahe Leben beneiden. Nun müssen die sich aber auch nicht bei Wind und Wetter durch diese wunderbare Natur schleppen. Und sie müssen sich auch keine Sorgen machen, wenn von der fernen Politik plötzlich der Wolf hier angesiedelt wird. Die Familie fühlt sich im Stich gelassen mit ihrer Sorge um die Tiere und ihre Existenz.

Zum Glück gibt es neue Nachbarn, die sich sehr hilfsbereit zeigen und fleißig mit dem Vater über die Versäumnisse der Politik schimpfen. Was aber bedeutet die Wolfsangel vor ihrem Haus? Und dann gibt es noch ein Familiengeheimnis um eine KZ-Zwangsarbeiterin, das sich, einem Schauermärchen gleich, nach und nach offenbart.

Thielemann erzählt atmosphärisch dicht und lässt uns tief eintauchen in eine Geschichte, die lange nachhallt. Kraftvoll, poetisch, packend. Wiebke Mandalka

Thielemann, Markus: Von Norden rollt ein Donner. Roman. Markus Thielemann. München: C.H.Beck 2024. 287 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-406-82247-6, geb.: 23,00 €

Lichtungen

Lev und Kato - das ist mehr als eine Freundschaft und Liebesgeschichte, es geht um Aufbruch, Bleiben oder Zurückkehren

Wenn wir einen Menschen kennenlernen, enthüllt sich erst nach und nach seine Vorgeschichte. Genauso erzählt die Evangelische Buchpreisträgerin von 2021 in ihrem neuen Roman, rückwärts vom 9. zum 1. Kapitel.

Kato, eine kluge und freiheitshungrige junge Frau, die nach der Öffnung der Grenzen bei erster Gelegenheit aus dem postkommunistischen Rumänien nach Westeuropa aufbricht, lebt aktuell als Straßenmalerin in Zürich, von wo sie ihrem Kindheitsfreund Lev schreibt: "Wann kommst du?" Lev, der multiethnisch aufgewachsen ist mit seiner siebenbürger-sächsischen Mutter, dem rumänischen Vater und einem Großvater, der sich zeitlebens als Österreicher verstanden hat, ist in dem Kindheitsdorf geblieben, arbeitet in einem Sägewerk.

Nach Katos Aufbruch erobert er per Rad das sich verändernde Siebenbürgen und den Norden Rumäniens. Und schließlich besucht er Kato in der Schweiz. Was diese beiden so unterschiedlichen Charaktere verbindet und wie sie Freunde und Weggefährten geworden sind, erzählt Iris Wolff erneut in der ihr eigenen unverwechselbaren poetischen Sprache und lässt den Figuren dabei viel Freiheit.

Ein weiteres beeindruckendes Buch von Iris Wolff, das seine Leserschaft sicher finden wird. Es verbindet Zeitgeschichte mit der Nähe zu differenzierten und neugierig machenden Figuren.  Gabriele Kassenbrock

Wolff, Iris: Lichtungen. Roman. Iris Wolff. Stuttgart: Klett-Cotta 2024. 256 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-608-98770-6, geb.: 23,00 €

Heilung

Seit drei Jahren findet der Erzähler nicht mehr in den erholsamen Tiefschlaf. Ein Klinikaufenthalt soll Heilung bringen.

Der schlaflose Erzähler wird von seiner erfolgreichen Frau in die luxuriöse Privatklinik San Vita von Prof. Trinkl in den Bergen eingewiesen. Da die medizinischen Untersuchungen kein Krankheitsbild erkennen lassen, versucht Prof. Trinkl mit unkonventionellen Methoden dem Unbehagen auf die Spur zu kommen. Neben wohltuenden und verjüngenden Bädern, Massagen und Kosmetik und einem Flirt mit einer hübschen Mitpatientin wird mit dem Sitzen in dunklen Räumen und einer Bärenjagd das Unterbewusstsein aktiviert, bis der Erzähler fluchtartig die Klinik verlässt und Heilung bei einem fast vergessenen Freund aus Kindertagen sucht.

Dieses konstruierte Gedankenspiel mit Anleihen an unterschiedliche Genres von Science Fiction, Bergroman bis Thriller führt mit seiner durchscheinenden Gesellschaftskritik entlang der Sinnsuche eines sympathischen aber leidenden und kranken Geistes. Flüssig geschrieben mit skurrilen Wendungen überrascht das abrupte Ende. Der Roman provoziert und lässt Fragen offen. Bärbel McWilliams

Kaleyta, Timon Karl: Heilung. Roman. Timon Karl Kaleyta. München: Piper 2024. 205 S. ; 21 cm. ISBN 978-3-492-07171-0, geb.: 22,00 €

Mein drittes Leben

Wie kann man weiterleben, wenn man sein Kind verliert?

Linda hat ihre Tochter verloren und damit den Halt im Leben. Da ist zwar noch Richard, mit dem sie nicht nur Tisch und Bett, sondern auch die Liebe zur Kunst teilt. Aber nach Sonjas Tod rückt alles in den Hintergrund. Linda "überlebt" auf einem Hof außerhalb ihrer Heimatstadt Leipzig: mit Tabletten, mit Gartenarbeit, mit dem Hund Kaja und einsamen Routinen. Richard hält ihre Hoffnungslosigkeit nicht mehr aus und beginnt eine neue Beziehung mit einer Schriftstellerin. Es ist ein schmerzhafter, ein zäher Weg in das "dritte Leben", denn "wenn ein Kind geht, nimmt es dich mit", befindet Linda.

Daniela Krien schreibt ungeschönt und in ihrer glasklaren, genau abwägenden Manier. Meisterlich bewegt sie sich auch in ihrem neuen Roman in den Zwischenbereichen und Widersprüchlichkeiten menschlicher Beziehungen. Zuweilen mutet der Roman etwas sehr bildungsbürgertumlastig an und die Art, wie Linda trauert und ins Leben zurückfindet, ist die einer sehr privilegierten Frau.

Ein Buch, das einem zeigen kann, was wirklich wichtig ist.    Marie Varela

Krien, Daniela: Mein drittes Leben. Roman. Daniela Krien. Zürich: Diogenes 2024. 293 S.; 21 cm. ISBN 978-3-257-07305-8, geb.: 26,00 €

evangelisch.de dankt dem Evangelischen Literaturportal Eliport für die inhaltliche Kooperation.