Die Deutsche Welthungerhilfe hat die Bundesregierung vor Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit gewarnt. Gefährdet seien erfolgreiche Projekte der Hungerbekämpfung, sagte die Präsidentin der Hilfsorganisation, Marlehn Thieme, am Dienstag in Berlin. Dabei kritisierte sie "eine Verhärtung der Diskussion".
"Die Idee des 'Deutschland First' greift um sich", sagte Thieme. Es werde vergessen, dass jeder zweite Euro durch den Export erwirtschaftet werde. Die Entwicklungszusammenarbeit bilde den Grundstein "für unsere Stabilität und Sicherheit", sagte die Präsidentin der Hilfsorganisation bei der Vorstellung des Jahresberichts 2023.
Der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundesregierung sende das falsche Signal an Menschen, die trotz aller Widrigkeiten nicht aufgeben wollen, sagte Thieme weiter. So böten etwa Ausbildungsprogramme für junge Menschen Perspektiven für ein eigenes Einkommen. Insbesondere Mädchen und Frauen würden davon profitieren.
Für den Etat des Bundesentwicklungsministeriums sind für 2025 voraussichtlich 10,3 Milliarden Euro vorgesehen, rund eine Milliarde weniger als im laufenden Haushaltsjahr. Am Mittwoch soll der Haushaltsentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden.
Höchste Förderungen an den Südsudan, die Ukraine, Syrien und Türkei
Im vergangenen Jahr standen der Welthungerhilfe nach eigenen Angaben 323,2 Millionen Euro für die Projektarbeit zur Überwindung von Hunger und Armut zur Verfügung. Das waren zwölf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Spenden betrugen 87,7 Millionen Euro (2022: 97,6 Millionen Euro). Öffentliche Geber stellten 266,5 Millionen Euro (2022: 241,5 Millionen Euro) für Hilfsprogramme zur Verfügung, davon gut 50 Prozent aus deutschen Bundesmitteln.
Die höchsten Projektförderungen gingen wie im Jahr davor an den Südsudan, die Ukraine sowie Syrien und die Türkei. Insgesamt war die Hilfsorganisation im vergangenen Jahr in 36 Ländern aktiv und erreichte nach eigenen Angaben 16,4 Millionen Menschen.
Der Vorstandsvorsitzende der Hilfsorganisation, Mathias Mogge, sprach sich für einen Paradigmenwechsel bei der humanitären Hilfe aus. Notwendig sei künftig noch mehr vorausschauendes Handeln, "bevor die Katastrophe kommt". Auch heute werde humanitäre Hilfe meist erst geleistet, wenn Extremwetterereignisse bereits erhebliche Schäden angerichtet haben. Vorausschauendes Handeln würde langfristig Kosten sparen und Menschenleben retten.
Nach Ansicht Mogges geht es darum, mit den Gemeinden vor Ort Notfallpläne etwa für Überschwemmungen und Dürren zu erstellen. Dazu gehörten beispielsweise der frühzeitige Ankauf von Nahrungsmitteln, das Impfen von Tieren und das Aufsuchen von Schutzräumen. In Simbabwe etwa arbeite die Welthungerhilfe unter anderem mit der Zivilschutzbehörde und Meteorologen zusammen, um Handlungspläne für sich anbahnende Dürrekatastrophen zu entwickeln.
Mit Blick auf den Sudan sprach Mogge von einer katastrophalen humanitären Lage. Es brauche dringend mehr politischen Druck auf die Kriegsparteien, um die Kriegshandlungen zu beenden und freien Zugang zu den Hungernden zu bekommen. Thieme sagte mit Blick auf die Lage im Gaza-Streifen, die Verteilung von Lebensmitteln müsse weitergehen. Die bürokratischen Hürden seien aber immens.