Von Büchern kann sie nicht lassen. Seit mehr als 70 Jahren steht Brigitte Homburger in ihrem Buchladen am Konstanzer Münsterplatz. Wer ihn dienstags oder donnerstags betritt, trifft auf die passionierte Buchhändlerin, die noch immer Pakete ausräumt oder Auskunft gibt über literarische Trends. Zwei Tage in der Woche hilft sie aus. "Natürlich gegen Bezahlung", sagt sie keck. Mehr darf sie nicht arbeiten im Geschäft, ohne Steuern zu bezahlen. So ist es mit ihrer Tochter Mechthild vereinbart, der sie den Laden längst übergeben hat.
Obwohl Homburger schon 93 Jahre ist, ist das für sie noch lange kein Grund, die Füße hochzulegen. Flink eilt sie durch den Laden, um ein gesuchtes Buch zu holen. Sie trägt gerne elegante Blazer und hat an diesem Tag knallrote, glänzende Schuhe an. "Der Papst trägt ja keine roten Schuhe mehr, also ziehe ich welche an", meint die Katholikin schmunzelnd. Alles Gedruckte liebt sie - von der Tageszeitung bis zum Roman und zum Sachbuch. Ihre Lieblingsautoren sind Martin Walser und Arnold Stadler, die beide aus dem süddeutschen Raum stammen. Und dann wäre da noch Juli Zeh, deren zupackenden Stil die Buchhändlerin schätzt.
Auch privat liest sie viel, weil Lesen "das Denken anregt", wie sie sagt. Ihre Konstanzer Altbauwohnung ist gefüllt mit Druckwerken aller Art. "Sogar im WC haben mein Mann und ich Bücher deponiert", merkt sie schmunzelnd an.
Als das Ehepaar den Laden 1953 übernahm, war noch vieles anders. "Konstanz war totale Provinz", erinnert sie sich. Die Moderne war noch nicht in der geschichtsstolzen Stadt angekommen, in der viele Bürger noch dem untergegangenen Bistum Konstanz nachtrauerten. Als sie ihre Buchhandlung erstmals aufsperrten, hieß der Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Heinrich Böll feierte erste Erfolge, Günter Grass war noch unbekannt. Thomas Mann und Hermann Hesse lebten noch, beide in der Schweiz. Die Dekoration des Schaufensters diente ihr als Gradmesser für die Befindlichkeit der Konstanzer.Einmal legt sie einen Bildband über den Maler Francisco de Goya ins Schaufenster. Auf dem Einschlag war Goyas Bild "Die nackte Maya" zu sehen. Damit ernteten die Homburgers wütende Proteste. "Die Gründung der Universität 1966 hat vieles verändert", berichtet sie. Studenten und Professoren mischten die Stadt auf, die dadurch lebendiger wurde.
Homburgers nüchterner Blick kommt nicht von ungefähr. Sie und ihr Mann stammen aus dem benachbarten Singen - der Arbeiterstadt im Westen des Landkreises Konstanz. Ihr Chef in Singen machte sie damals auf das leerstehende Geschäft in Konstanz aufmerksam, das sie dann günstig übernehmen konnte. Bis heute bewegt sie sich elegant zwischen den hölzernen Regalen. Sie kennt dort jeden Winkel und jede lockere Schraube. Einzige Ausnahme ist der Computer. "Das brauche ich nicht mehr", sagt die passionierte Buchhändlerin ziemlich energisch.