Buch unterm Weihnachtsbaum
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Eliport Buchtipps zu Weihnachten.
Blick in die Literatur: Buchtipps
Weihnachten: Bücher zu verschenken
Weihnachten rückt immer näher. Das Evangelische Literaturprotal stellt heute vier Romane vor, die 2024 erschienen sind und sich gut als Geschenke unterm Weihnachtsbaum eignen.

Amrum

Regisseur und Filmproduzent Hark Bohm schreibt in "Amrum" eindrucksvoll über seine Kindheit auf der Insel im Kriegsendejahr 1945.

Man sieht die Weite, man fühlt den immerwährenden Wind und hört den hohen Ton des Austernfischers. Obwohl im Zentrum von Hark Bohms Romandebüt "Amrum" der 12jährige Nanning steht, ist es doch die Insel, die hier die Hauptrolle spielt. Unbeeindruckt von den Menschen herrschen hier die Gezeiten und Naturgesetze und mit denen kennt sich Nanning bestens aus. Nur die Menschen machen ihm zu schaffen: Seine Mutter ist nach der Geburt des vierten Kindes "verrückt" und schmachtet nach Butter, Honig und Weißbrot. Vorher bringt sie aber noch die Bäuerin Tessa Bendixen - für die Nanning arbeitet - und ihn selbst in Schwierigkeiten, weil sie dem Ortsgruppenleiter berichtet, dass Tessa meint, "Hitlers-Scheißkrieg" sei eh bald zu Ende. Auch Nannings abwesender Vater ist ein Nazi und wie seine Mutter Akademiker. Er kann kein Schwein einfangen wie Nannings Freund Hermann oder Opa Arjan, eine Peinlichkeit für Nanning. Als Rechtfertigung und um die eigene Scham zu besänftigen, zeigt er Hermann die Bücher aus der Feder des Vaters. Es sind diese Spannungsfelder, zwischen denen sich der träumerische und doch so tatkräftige Junge bewegt, bewegen muss: zwischen Bauern – und Akademikertum, zwischen echten Amrumern und Zugezogenen zwischen Nazis und Regimegegnern, auch in der eigenen Familie.

Ein packendes, ein anrührendes, wunderbar geschriebenes Buch mit einem Helden, den man schnell ins Leser:innenherz schließt. Das Buch wird gerade von Fatih Akin verfilmt. Marie Varela

Bohm, Hark: Amrum. Roman. Berlin: Ullstein 2024. 300 S. ISBN 978-3-550-20269-8, geb.: 23,99 €

James

Die Geschichte von Huckleberry Finn, radikal neu erzählt aus der Perspektive von Jim.

Jim lebt sein Leben nach ungeschriebenen, aber überlebenswichtigen Regeln. Er versteckt seine Bildung, sein Wissen und seine Intelligenz – viel zu gefährlich wäre es, wenn die Weißen in ihm etwas Anderes sehen würden, als den dummen Sklaven. Als er von seiner Familie getrennt und in New Orleans verkauft werden soll, flieht er und trifft dabei auf Huckleberry Finn. Gemeinsam begeben sie sich auf eine waghalsige Reise in den Norden, wo sie sich beide die Freiheit erhoffen. Die Geschichte ist bekannt, wird von Percival Everett jedoch radikal neu erzählt. Er gibt Jim eine Stimme und füllt so eine Leerstelle in Mark Twains Klassiker. Gekonnt schreibt Everett dabei nicht nur einen grandiosen Abenteuerroman, vor allem zeigt er, wie Jims Identität immer wieder neu ausgehandelt wird, je nachdem, wem er begegnet und wie diese (zumeist Weißen), ihn wahrnehmen. 

Ein Roman, der alles hat, was eine gute Abenteuergeschichte braucht, und zugleich mehr ist als das: Ein Roman über Sprache, über Identität und Status und wie sehr all das von außen bestimmt werden kann. Miriam Weinrich

Everett, Percival: James. Roman. München: Hanser 2024. 329 S. Aus d. Engl. ISBN 978-3-446-27948-3, geb.: 26,00 €

Von Norden rollt ein Donner

Sturmhöhe trifft Herrmann Löns, trifft Moderne.

Die Lüneburger Heide ist ein beliebtes Urlaubs- und Ausflugsziel. Urige Bauernhäuser, weite Heidefläche und ihre berühmten Heidschnucken erwecken einen rundum idyllischen Eindruck. Dass sie auch düster kann, lernen wir in diesem Buch. Jannes, 19, lebt mit seinen Eltern und seinem Großvater in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide. Sie sind Schaf- und Ziegenhirten. Jeden Tag geht es mit den Tieren raus in die Natur, jeden Abend wieder zurück. Gern wird Jannes von Touristen angesprochen, die ihn um dieses einfache, naturnahe Leben beneiden. Nun müssen die sich aber auch nicht bei Wind und Wetter durch diese wunderbare Natur schleppen. Und sie müssen sich auch keine Sorgen machen, wenn von der fernen Politik plötzlich der Wolf hier angesiedelt wird. Die Familie fühlt sich im Stich gelassen mit ihrer Sorge um die Tiere und ihre Existenz. Zum Glück gibt es neue Nachbarn, die sich sehr hilfsbereit zeigen und fleißig mit dem Vater über die Versäumnisse der Politik schimpfen. Was aber bedeutet die Wolfsangel vor ihrem Haus? Und dann gibt es noch ein Familiengeheimnis um eine KZ-Zwangsarbeiterin, das sich, einem Schauermärchen gleich, nach und nach offenbart.

Thielemann erzählt atmosphärisch dicht und lässt uns tief eintauchen in eine Geschichte, die lange nachhallt. Kraftvoll, poetisch, packend. Wiebke Mandalka

Thielemann, Markus: Von Norden rollt ein Donner. Roman. München: C.H.Beck 2024. 287 S. ISBN 978-3-406-82247-6, geb.: 23,00 €

Zwei in einem Leben

Eine Geschichte der zweiten Chancen. 

Marnie ist freiberufliche Lektorin, lektoriert vor allem erotische Liebesgeschichten und ist schon seit langem einsam. Michael ist Erdkundelehrer, ärgert sich darüber, dass sein Beruf so einen langweiligen Ruf hat und konnte sich nie richtig von seiner Scheidung erholen. Als beide von einer gemeinsamen Freundin auf einen Wanderurlaub eingeladen werden, stimmen sie zu, England an der engsten Stelle einmal von Westen nach Osten, von Meer zu Meer zu durchqueren – Michael begeistert, Marnie eher gezwungenermaßen. Und die Reise steht von Beginn an unter keinem guten Stern, denn das Wetter ist schrecklich und nach und nach springen alle anderen Teilnehmer:innen ab. Übrig bleiben schließlich nur Marnie und Michael. Sie erzählen sich ihre Lebensgeschichten, verstehen sich prächtig, doch wirklich annähern können sie sich lange nicht. 

Eine äußerst unterhaltsame, sehr witzige Liebesgeschichte vor der Landschaft Nordenglands mit liebenswerten, aber nicht fehlerfreien Protagonist:innen, die sich sehr langsam aufbaut und dadurch realitätsnah bleibt und nicht verkitscht. Miriam Weinrich

Nicholls, David: Zwei in einem Leben. Roman. Frankfurt am Main: Fischer Krüger 2024. 441 S. Aus d. Engl. ISBN 978-3-8105-0065-6, geb.: 25,00 €

evangelisch.de dankt dem Evangelischen Literaturportal Eliport für die inhaltliche Kooperation.