Diesen Wandel könne es nur geben, wenn Kirchenvertreter sich an die Seite der Betroffenen stellten, sich nicht abwendeten oder befürchteten, Nestbeschmutzer zu sein, sagt die Missbrauchsbetroffene Nancy Janz vor dem Kirchenparlament in Loccum bei Nienburg. Die Sprecherin des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland äußert sich nicht zu Rücktrittsforderungen anderer Missbrauchsbetroffener an den hannoverschen Landesbischof Ralf Meister.
Diese hatten ihm in einem Brief schwere Versäumnisse im Umgang mit Missbrauch in der Kirche vorgeworfen. Auch nach einer Neuaufstellung 2021 würden Betroffene "weiterhin sehr negative Erfahrungen" mit der Fachstelle für sexualisierte Gewalt der Kirche machen, heißt es darin. Die Betroffenen werfen Meister zudem vor, er habe sich nie persönlich bei ihnen entschuldigt. In der hannoverschen Landeskirche sind laut einem Sprecher aktuell 122 bestätigte oder Verdachtsfälle bekannt, in denen Mitarbeitende seit 1946 sexualisierte Gewalt an Minderjährigen verübt haben sollen. Unter den Beschuldigten sind 63 Pastoren.
Für die ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt im Raum der evangelischen Kirche und der Diakonie in Deutschland hatte die Landeskirche den Angaben zufolge bis zum Stichtag im April 2023 noch 110 Fälle mit ebenso vielen Beschuldigten und mindestens 140 Betroffenen angegeben. Ein Teil der neu hinzugekommenen Fälle wurde in den Akten unter "Ehebruch" geführt, erwies sich bei näherem Hinsehen jedoch als sexualisierte Gewalt. Die Diakonie in Niedersachsen nannte für die Studie insgesamt 106 Betroffene aus ihren Heimen und Einrichtungen sowie 158 Beschuldigte.
An die Betroffenen zahlte die Landeskirche bislang insgesamt 183.500 Euro an Anerkennungsleistungen für erlittenes Leid und mehr als 49.000 Euro für Therapien oder Klinikaufenthalte. Die Diakonie in Niedersachsen zahlte nach eigenen Angaben 1,6 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen.
Ende Januar hatte ein unabhängiges Forschungsteam die ForuM-Studie vorgestellt. Darin wird von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern ausgegangen, aber eine deutlich höhere Dunkelziffer vermutet.