Kinder spielen überall auf der Welt, in Deutschland allerdings "ernst und leise". Zumindest in der Wahrnehmung von Andrea Vergara Pena. Die Kolumbianerin arbeitet seit Februar in der Kindertagesstätte Arche Noah in Bad Vilbel. In ihrer Heimat seien die Kinder "mehr explosiv", sagt sie und wirft lachend die Arme wie in einer kleinen Explosion nach oben.
Die 27-Jährige ist eine von vier Erzieherinnen, die in den beiden Kitas der Christuskirchengemeinde in Bad Vilbel in der Nähe von Frankfurt am Main arbeiten. "Wir versuchen neue Wege zu gehen, um unsere Stellen zu besetzen", sagt Klaus Neumeier, Pfarrer der Gemeinde. Innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), deren Gemeinden und Dekanate Träger von rund 600 Kitas sind, werde das Projekt "gespannt beobachtet", berichtet er.
Bislang mache die Gemeinde "sehr gute Erfahrungen" mit den Erzieherinnen aus Lateinamerika, aber schlechte Erfahrungen mit der Politik, sagt der Pfarrer. Alle vier Fachkräfte haben in Kolumbien ein Bachelor-Studium in Frühkindlicher Bildung absolviert und erste Berufserfahrungen gesammelt. Da der Abschluss hier nicht anerkannt wird, müssen sie in Deutschland zunächst ein Anerkennungsjahr leisten, bevor ihr Studium gleichwertig mit der deutschen Erzieher-Ausbildung gewertet wird. Neben den finanziellen Nachteilen für die jungen Frauen sei dies auch ein Ausdruck mangelnder Wertschätzung, kritisiert Neumeier.
In der Einrichtung in Bad Vilbel ist das anders. Laura Carolina Polo Ibarra spricht von einem "großartigen Team", und einer "super Erfahrung". Anfangs war es schwer, die Kinder zu verstehen. "Sie haben sehr schnell gesprochen", erinnert sich die 29-Jährige an die ersten Tage. Inzwischen klappe die Verständigung viel besser.
Die Frauen loben vor allem die Sicherheit in Deutschland. Shanning Pana Escobar freut sich, alleine als Frau mit dem Fahrrad fahren zu können, "sogar abends um 21 Uhr". In Kolumbien sei das nicht denkbar, dort sei sie nur mit dem Auto unterwegs gewesen. "Mir geht es hier gut, richtig gut", sagt sie.
Maria Alejandra Perez Villalba lobt sogar die Bahn, über die Deutsche so gerne schimpfen. Sie ist erst seit knapp vier Monaten in Deutschland, hat aber schon Düsseldorf, Heidelberg und Köln besucht. Das sei ganz einfach und bezahlbar, sagt die junge Frau. In Kolumbien sei auch das nicht möglich, wegen der größeren Entfernungen nutzten die Menschen das Flugzeug, und das habe sie sich nicht leisten können.
Froh über die Kolleginnen aus dem Ausland ist auch die Leiterin der Kita Arche Noah, Ruth Homann. "Sie gehören schon voll dazu", sagt sie. Wäre die Kirchengemeinde nicht so offen gewesen, "hätten wir jetzt in beiden Kitas zwei Fachkräfte weniger".
Geholfen hat der Gemeinde bei der Suche nach Fachkräften der Personaldienstleiter "TalentOrange" in Neu-Isenburg. Etwa ein Jahr dauere der Weg von ersten Gesprächen in Kolumbien bis zum Arbeitsbeginn in Deutschland, erklärt Tilman Frank, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens. Nach ersten Online-Kontakten lerne er die Bewerberinnen persönlich kennen, es gebe eine Vielzahl von Gesprächen sowie einen Deutsch-Intensivkurs im Heimatland. "Der Spracherwerb ist entscheidend", betont er.
Wie lange die Frauen bleiben werden, kann niemand seriös vorhersagen. Tilman Frank sieht gute Chancen dafür, dass es eine Berufstätigkeit von längerer Dauer werden wird. Die Frauen hätten sich mutig auf einen großen Schritt eingelassen und fänden hier deutlich bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen vor. Das gebe man nicht so schnell wieder auf, sagt er. Die Kosten für die Vermittlung beziffert er auf rund 20.000 Euro pro Person, inklusive Sprachkurs, Flug, Stipendium und Visagebühren. Bezahlt hab das zum größten Teil die Stadt Bad Vilbel, zu einem kleinen Teil die Kirche, ergänzt Neumeier.
Laura Carolina Polo Ibarra schätzt inzwischen schon "die Ruhe und den Ernst" der Menschen. Die Frauen aus Lateinamerika vermissen jedoch ihre Familien und Freunde. Telefonate und die Sozialen Medien helfen, den Kontakt zu halten und sich gleichzeitig in Deutschland einzuleben.