epd: Herr Friederich, was wäre, wenn die Kirche für ein paar Tage kein Internet mehr hätte?
Nico Friederich: Das Kerngeschäft der Kirche ist zum Glück noch gar nicht so vom Internet abhängig: Gottesdienste, Seelsorge, Hochzeiten, Trauerfeiern an sich könnten einfach weiterlaufen - klammert man die Vor- und Nachbereitung wie Recherchen zur Predigt oder Abstimmungen zwischen den Beteiligten aus. Die Glocken läuten weiter, Gemeindegesang und Predigt wären nicht gefährdet. Während in Unternehmen teilweise die gesamte Wertschöpfung am Internet hängt, ist die Kirche weniger betroffen.
Dennoch: Wo wären die Folgen am gravierendsten?
Friederich: Vermutlich im Bereich der Kommunikation. E-Mails, Chats, Telefonieren und Videokonferenzen laufen komplett übers Internet. Falls in dieser Situation der Mobilfunk noch funktioniert, dann könnte man die Handys für Gespräche und SMS nutzen. Auch die Kommunikation nach außen - Stichwort Social Media oder Webauftritte - wäre unterbrochen. In einer solchen Situation kämen analoge Medien wieder mehr zum Tragen, zum Beispiel der gute alte Gemeindebrief, der ausgetragen wird.
Wie sähe es mit dem Austausch von wichtigen Daten aus?
Friederich: Vieles läuft bei uns heute über die Cloud, etwa das digitale Gemeindemanagement. Es gibt aber auch Bereiche, da sind wir noch unabhängig, etwa im Personal- oder Finanzwesen. Hier verwenden wir eigene Server sowie Rechenzentren, zu denen wir "Standleitungen" haben. Wir könnten also weiterhin die Gehaltsabrechnungen machen. Da Online-Banking allerdings ohne Internet nicht funktioniert, müssten wir uns für die Überweisungen andere Wege überlegen, im Notfall die Daten auf einem USB-Stick zur Bank bringen.
Wie sollen sich Teams in Kirchengemeinden zum Beispiel für die Vorbereitung des Jugendkreises abstimmen, wenn sie kein Internet mehr haben?
Friederich: Unsere lokalen Strukturen wären da hilfreich. Es gibt bis heute schon um der erlebten Gemeinschaft willen viele Präsenztreffen. Man kann sich im Gemeindehaus zusammensetzen. Folgetermine müssten dann eben immer am Ende einer Sitzung festgelegt werden, dann weiß jeder Bescheid.
Das heißt: Die Ortsgemeinde bleibt auch ohne Internet funktionsfähig?
Friederich: Im Wesentlichen ja, wenngleich erschwert. Und sie könnte in so einer dramatischen Situation, in der die Menschen keinen Webzugang mehr haben, sogar an Bedeutung gewinnen. In Situationen, in denen Menschen einen Kontrollverlust oder Ängste empfinden, greifen sie häufiger auf verlässliche, etablierte Strukturen zurück. Die Gemeinde ist ja weiterhin vor Ort für die Leute da.
Wo sehen Sie weitere große Probleme bei einem Internetausfall?
Friederich: Größere Veranstaltungen wären kaum durchzuführen. Von den Absprachen über das Marketing und den Ticketverkauf bis zur anschließenden Abrechnung würden einfach viele technische Ressourcen ohne Internet fehlen.
Wäre Homeoffice noch möglich?
Friederich: Nein. Üblicherweise brauchen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür einen geschützten Zugang zu unserem System, und das lässt sich nur über das Internet bewerkstelligen. Die Leute müssten im Fall der Fälle also alle ins Büro kommen.
Haben Sie in Ihren fünf Jahren bei der Landeskirche schon einmal einen längeren Internetausfall erlebt?
Friederich: Nein. Das Internet ist ja auch dezentral aufgebaut. Wenn ein wichtiger Knoten oder ein zentrales Kabel nicht mehr funktioniert, sind alternative Wege da, um den Datenverkehr am Laufen zu halten. Ein viel größeres Problem sind für uns Cyberangriffe. Davon war schon das Evangelische Jugendwerk in Württemberg betroffen, ebenso andere Landeskirchen. Dieses Thema macht uns viel größere Sorgen als die Angst davor, dass es einmal ein paar Tage kein Internet mehr geben könnte, weil das ein sehr unwahrscheinliches Szenario ist.