"Stillen ist derzeit die einzige Möglichkeit für Mütter, ihre Kinder zu versorgen", berichtet "Ärzte ohne Grenzen"-Hebamme Anja Bezold. Aufgrund fehlender Babynahrung und Wassermangel sei es nicht möglich, Kinder mit der Flasche zu füttern. Bezold arbeitete für drei Wochen im Al-Emirati-Krankenhaus im palästinensischen Rafah. Über 100 Babys seien dort pro Tag auf die Welt gekommen - teilweise unter katastrophalen Bedingungen.
"Die Ärztinnen tun ihr Bestes, aber es fehlt eigentlich an allem: an Platz, Zeit und Medikamenten", sagt Bezold. Mangels Betten kann es passieren, dass Frauen ihre Kinder auf dem Krankenhausflur zwischen wartenden Patientinnen und Patienten zur Welt bringen, berichtet die Hebamme. Auch die Narkosemittel seien knapp: Dammverletzungen werden häufig ohne Betäubungsmittel genäht.
"Das ist mit nichts vergleichbar, was ich bisher erlebt habe", sagt die Hebamme, die bereits Auslandseinsätze im Jemen, Irak und in Tansania hatte. Sie forderte eine Waffenruhe, damit die humanitären Hilfsgüter schneller verteilt werden können. Die Waffenruhe wäre Bezold zufolge auch hilfreich für die schwangeren Frauen: "So könnten sie zur Ruhe kommen und ihr Kind zur Welt bringen, ohne Angst haben zu müssen, dass ihnen gleich eine Bombe auf den Kopf fällt."
Bezold koordinierte die Wochenstation im Krankenhaus und stellte die Nachsorge für Mütter und Kinder sicher. Viele Frauen wollten direkt nach der Geburt nach Hause, berichtete Bezold. "Für viele war das Krankenhaus kein sicherer Ort. Sie hatten Angst vor Angriffen", sagt die Hebamme.
Der Krieg in Gaza habe katastrophale Auswirkungen auf Mütter und Kinder. "Viele Frauen sind traumatisiert und deshalb gar nicht in der Lage, eine Verbindung mit ihrem Kind aufzubauen", beobachtet Bezold. Zudem kommen wegen der zusätzlichen Belastung viele Kinder viel zu früh auf die Welt. "Frühchen haben in Gaza kaum eine Chance zu überleben", sagt Bezold. Jeden Tag seien auf der Station drei bis vier Kinder gestorben.