Porträt Bischöfin Kirsten Fehrs
epd-Bild/Peter Juelich
Übt Kritik an fehlender Differenzierung im Israel-Gaza-Konflikt: Bischöfin Kirsten Fehrs, amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Kirchen gegen Israelfeindlichkeit
Angriff am 7. Oktober rechtfertigt kein "Ja, aber"
Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, stört die Relativierung des brutalen Angriffs der Hamas am 7. Oktober auf Israel. Der massive Terrorüberfall der Hamas sei ein beispielloser Angriff, sagte Fehrs dem Evangelischen Pressedienst (epd). Weitere Kirchenvertreter äußerten sich zu dem Israel-Gaza-Konflikt und mahnten eine Differenzierung für beide Seiten an.

Sehr schnell habe es aber sprachliche Relativierungen gegeben. "Das Massaker war grausam, aber... Diese Sprachfigur hat es ständig gegeben", sagte die Hamburger Bischöfin. "Das hat mich nachhaltig gestört."

Ihrer Meinung nach müsse es statt "Ja, aber" vielmehr "Ja, und gleichzeitig" heißen. "Wir stehen zugleich an der Seite der Menschen in Israel, die auf die Befreiung der Geiseln hoffen, und an der Seite derer, die hier im Land mit zunehmenden antisemitischen Übergriffen konfrontiert sind", sagte Fehrs. "Und gleichzeitig steht uns das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung vor Augen." Nicht nur im Gazastreifen, auch im Westjordanland, wo viele den Übergriffen radikaler Siedler ausgeliefert seien.

In Deutschland urteile man sehr schnell über das, was in Israel stattfinde. "Ich bin da sehr vorsichtig geworden", sagte Fehrs. Die Theologin betonte, als Christ fühle man sich nicht nur Jüdinnen und Juden, sondern auch allen anderen Religionen in der Suche nach Frieden verbunden. Der interreligiöse Dialog sei zwar belastet durch den Konflikt, "aber wir finden immer noch in der Bitte um den Frieden für diese schwer gezeichnete Region zusammen, die Juden, Christen und Muslimen heilig ist". Man sei einig darin, dass Konflikte ohne Gewalt ausgetragen werden und dass die Geiseln nach Hause kommen müssten. So unterschiedlich die Lage in Israel auch eingeordnet werde, die gemeinschaftliche Bitte um Frieden geschehe mit gemeinsamer Stimme.

Weitere Kirchenvertreter zum Jahrestag des Terrorangriffs

Kirchenvertreter in Deutschland haben zum ersten Jahrestag an die Opfer des Terrorangriffs der Hamas auf Israel erinnert. Das Trauma des 7. Oktober sei Juden und Jüdinnen überall auf der Welt gegenwärtig, sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, am Freitag. "Unsere Gedanken gehen zuerst zu den Todesopfern des grausamen Überfalls. Wir denken an die Hinterbliebenen, an die noch immer gequälten Geiseln und an die Angehörigen." Seit dem Ende der Schoah seien bei keinem singulären Ereignis so viele Jüdinnen und Juden verschleppt und ermordet worden, fügte sie hinzu.

Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erklärten gemeinsam, dieser Terrorakt sei ein beispielloser Angriff auf Israels Bevölkerung und die Sicherheit des Landes gewesen, in dessen Folge Israel sein Recht auf Selbstverteidigung geltend gemacht habe.

Militärische Reaktion Israels forderte viele Tote unter Zivilisten in Gaza

Zugleich wiesen Bätzing und Fehrs darauf hin, dass die militärische Reaktion Israels und die folgenden Kämpfe im Gaza-Streifen Zehntausenden palästinensischen Zivilisten den Tod gebracht hätten. "Auch aufseiten der Palästinenser ist das menschliche Elend erschütternd." EKD und Bischofskonferenz warnten vor einer weiteren Eskalation des Nahostkonflikts. Mit dem massiven Raketenbeschuss aus dem Iran auf Israel am vergangenen Dienstag habe der Konflikt eine neue Stufe erreicht.

Stetter-Karp unterstrich, der Terror der Hamas bedrohe die Stabilität in der Region fortwährend. Die Hamas sei nicht nur für den terroristischen Überfall am 7. Oktober verantwortlich, sondern halte die palästinensische Bevölkerung "in kollektiver Geiselhaft ihrer unversöhnlichen Positionen gegenüber Israel". "Täglich sterben Menschen, die diese Auseinandersetzung weder befeuern wollen noch lösen können. Sie möchten in Frieden leben", sagte sie.

Die Diakonie Katastrophenhilfe forderte konkrete diplomatische Fortschritte für die Menschen in Israel und in den palästinensischen Gebieten. Unzählige Menschen in Israel und Gaza litten unter den traumatischen Erlebnissen und dem Verlust von Angehörigen. Im Gaza-Streifen seien weiterhin zwei Millionen Menschen ohne ausreichende Nahrung, sichere Unterkunft und funktionierende Gesundheitsversorgung, mahnte der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler. "Ein weiteres Jahr des Kriegs kann niemandem zugemutet werden."

Bei dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 ermordeten Terroristen mehr als 1.200 Menschen in Israel, mehr als 240 wurden in den Gaza-Streifen verschleppt. Etwa 100 Geiseln befinden sich noch immer in den Händen der Hamas, rund ein Drittel gilt als tot. Das Massaker löste den Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas aus. Der Gaza-Streifen ist seitdem weitgehend abgeriegelt. Die 2,2 Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser können den Gaza-Streifen nicht verlassen. Zehntausende Menschen wurden nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde seither getötet.