"Schlechtes Wetter gibt es nicht, nur schlechte Kleidung!" An diesen Satz muss Aleena Abraham denken, als sie Ende Januar nach Deutschland gekommen ist. Den enormen Temperaturunterschied zwischen dem südindischen Kerala und dem norddeutschen Oldenburg zu überwinden, war eine der größten Herausforderungen für die 20-Jährige.
Gemeinsam mit weiteren fünf Landsleuten und zwölf jungen Deutschen hat sie am 1. Februar eine Ausbildung zur Pflegekraft im Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg begonnen. In drei Jahren werden dann alle nach bestandener Prüfung zertifizierte Pflegekräfte sein. Eine Vorstellung, die Aleena und ihrem 19-jährigen Kollegen George Bin Albin Sicherheit und Freude vermittelt. Eine Vorstellung, die aber auch der Berufsfachschule Pflege in Oldenburg Sicherheit und Freude vermittelt.
"Wir beschäftigen uns seit einigen Jahren mit der Idee, ausländische Pflegekräfte auszubilden", erzählt Schulleiterin Kerstin Mosig. "Wir stehen im ständigen Austausch mit anderen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, die von ihren guten Erfahrungen mit ausländischen Pflegekräften berichten. Gleichzeitig wurden wir immer wieder von Personalagenturen kontaktiert, die auch ausländisches Pflegepersonal vermitteln. Das hat uns überzeugt."
Nach ihrem Volontariat in der Pressestelle der Aktion Mensch arbeitete Alexandra Barone als freie Redakteurin für Radio- und Print-Medien und als Kreativautorin für die Unternehmensberatung Deloitte. Aus Rom berichtete sie als Auslandskorrespondentin für Associated Press und für verschiedene deutsche Radiosender. Heute arbeitet sie als freie Journalistin, Online-Texterin und Marketing-Coach. Seit Januar 2024 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Eine Entscheidung, die für das Evangelische Krankenhaus in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Denn auf den zunehmenden Fachkräftemangel in Deutschland sollte man reagieren, so Mosig. "Immerhin gilt es, auch in Zukunft die Pflege der über 70.000 Patienten garantieren zu können. Es ist daher an der Zeit, in der Pflege umzudenken!"
Christin:in sein als kulturelle Basis
"Unser Interesse galt vor allem den jungen Menschen aus Indien, genaugenommen der südindischen Region Kerala, da dort viele Christen leben und wir uns dachten, dass der Kulturunterschied nicht so groß sein würde", erklärt Mosig. "Natürlich war uns wichtig, dass die Auszubildenden die deutsche Sprache beherrschen. Vor allem aber sollten sie offen sein, auf Menschen zugehen können, und natürlich auch den Wunsch haben, sich hier in Deutschland integrieren zu können", sagt Mosig. "Unser Ziel ist es nämlich, die Auszubildenden nach dem Abschluss hier bei uns langfristig einzustellen."
"In Deutschland werden wir bezahlt und müssen nicht – wie in Indien - für unsere Ausbildung bezahlen."
Ein Gedanke, der Aleena und George glücklich macht. "Für uns ist diese Ausbildung sehr wichtig, da es in Indien kaum Arbeitsplätze und wenig Zukunftsaussichten gibt", erzählt George. Zwar vermisst der 19-Jährige seine Familie in Indien, aber er weiß, wie stolz seine Eltern sind. Dass er einen sicheren Arbeitsplatz gefunden hat, vor allem mit einem sicheren Einkommen, ist für ihn und seine Familie wichtig. "Das war für mich die größte Überraschung. In Deutschland werden wir bezahlt und müssen nicht – wie in Indien - für unsere Ausbildung bezahlen", so George. Doch das war nicht die einzige Überraschung für die zwei jungen Menschen aus Kerala.
Beeindruckt sind Aleena und George nicht nur von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Kollegen und Einwohner Oldenburgs, sondern vor allem von der freundlichen Atmosphäre, die zwischen den Lehrkräften und den Auszubildenden herrscht. "In Indien ist das ganz anders", erzählt George. "Die Lehrer sind sehr streng und die Auszubildenden trauen sich gar nicht, Fragen zu stellen, und so lernen sie langsamer." Erschwerend käme hinzu, dass in Indien ausschließlich Theorie gelehrt werde, daher ist nach der vierjährigen Ausbildung noch ein zweijähriges Praktikum erforderlich, fügt Aleena hinzu.
Essen und die Sprache als größte Hürden
Sie ist zuversichtlich und freut sich auf ihr Leben in Deutschland, auch wenn die größte Herausforderung für sie das Essen ist. Aber darüber macht sich die junge Frau keine Gedanken und lacht: "Dann müssen wir eben kochen lernen!" Dazu kommt das Problem mit der Sprache. Aleena, George und die anderen vier Landsleute haben sich zwar im Goethe-Institut in Indien die deutsche Sprache angeeignet, aber bisher keinen direkten Kontakt zu Deutschen gehabt. "Das war am Anfang sehr schwer, aber schon nach einem Monat wurde es einfacher", so Aleena. "Und in sechs Monaten, spätestens in einem Jahr, sind wir Profis!" Dessen sind sich Kerstin Mosig und Anke Zander sicher, die mit großer Freude die Lernbereitschaft, die Neugier und die Disziplin der sechs indischen Pflegekräfte beobachten.
Viel Bürokratie und wenig Wohnraum
"In nur einem Monat haben sie sich super eingelebt", so Zander, die für die Berufsfachschule Pflege die Praxiseinsätze der Auszubildenden koordiniert. Dabei war die Umsetzung des Projekts am Anfang sehr schwer. "Zunächst erst einmal mussten wir all die bürokratischen Dinge erledigt werden, bevor die jungen Inder:Innen einreisen durften. Dann galt es, das tägliche Leben zu organisieren. Schließlich sollten sich die jungen Menschen aus Kerala wohlfühlen hier bei uns, fügt Zander hinzu. Die größte Herausforderung ist und bleibt allerdings der Wohnraum. "Bezahlbare Wohnungen sind in Oldenburg Mangelware, daher haben wir die sechs Auszubildenden aus Indien in Räumen des evangelischen Krankenhauses untergebracht", erklärt Mosig. Aber das soll sich in Zukunft ändern, dann sollen sie eigene Wohnungen haben.
"Eigene Fahrräder haben sie schon!", erklärt Mosig. "Viele unserer Angestellten und einige Einwohner:innen haben auf unseren Spendenaufruf reagiert und Sachen des täglichen Lebens bereitgestellt." Neben der materiellen Unterstützung ist natürlich auch das menschliche Miteinander wichtig, erklärt Zander. "Wir haben daher unsere älteren Azubis gefragt, ob sie eine ‚Patenschaft‘ mit unseren indischen Auszubildenden übernehmen wollen und sind sofort auf Begeisterung gestoßen." Mit ihren gleichaltrigen Kolleg:innen können sie sich nun austauschen, sich Rat holen und gemeinsam etwas unternehmen.
Fürs Fahrradfahren ist es vielleicht noch zu früh, da es noch sehr kalt ist, aber Aleena und George freuen sich schon auf den Frühling. Dann wollen sie Touren mit ihren "Paten" und Kolleg:Innen unternehmen und die Umgebung von Oldenburg erkunden.