"Die Ergebnisse und Analysen der ForuM-Studie machen zwingend nötig, sexualisierte Gewalt in kirchlichen Kontexten endgültig besprechbar zu machen", verlangt der Vorstand der "Männerarbeit der EKD". Diese Organisation gehört zum "Evangelischen Zentrum Frauen und Männer" in Hannover, das sich für Geschlechtergerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft einsetzt. Bei der sexualisierten Gewalt sei es notwendig, "nach ihren Ursachen und Ermöglichungsstrukturen zu fragen und organisatorisch, strukturell und theologisch alles dafür zu tun, die Kirche zu einem gewaltfreien Ort zu machen".
Als evangelische Organisation, die sich besonders männlichen Perspektiven verpflichte, werde insbesondere darauf geschaut, wo Jungen und Männer nicht geschützt seien. "Die ForuM-Studie legt dar, dass unter den ihr zugänglichen bekannten Fällen nahezu zwei Drittel der Betroffenen von sexualisierter Gewalt männlich sind, in Heimkontexten spricht sie von über 80 Prozent der Betroffenen", sagt Jens Jason, Referent im Fachbereich "Evangelische Männer".
Dieser Befund deute darauf hin, dass männliche Kinder und Jugendliche als weniger vulnerabel gelten und in Bezug auf sie noch weniger Schutzmaßnahmen greifen. Zugleich falle auf, dass männliche Betroffene die ertragene Gewalt noch viel später ansprechen. Dies könne an spezifischen Bewältigungsstrategien von Männern sowie bestimmten befürchteten Stigmatisierungen liegen.
"Uns scheint dringend angeraten, gendersensible Perspektiven zu entwickeln und zu etablieren, die bei der Analyse dieser Gewalttaten und ihrer strukturellen Hintergründe sowie für die Aufarbeitung und für die Bewältigung der Gewaltfolgen hilfreich sind", heißt es in einer Pressemitteilung der EKD-Männerarbeit. Prävention und Beratung müssten so ausgerichtet sein, dass in ihnen die jeweiligen Bedarfe von Mädchen und Frauen, Jungen und Männern und Menschen jeglichen Geschlechts bewusst seien.
Täter sind weit überwiegend männlich
"Wir müssen ebenso zur Kenntnis nehmen, dass Täter sexualisierter Gewalt weit überwiegend männlich sind", heißt es weiter. Diese Tatsache erfordere gleichfalls eine geschlechterreflektierte Bearbeitung, etwa indem sozialisierte Stereotypen, Selbstverständnisse und Einstellungen zu Machtausübung und zur Sexualität dringend zu hinterfragen seien.
Die Männerarbeit der EKD müsse sich auch selbst kritisch befragen: "Wie viel Rechenschaft haben wir uns darüber abgelegt, was Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der Kirche und in der Gesellschaft an sexualisierter Gewalt angetan wurde und wird? Haben wir Räume geschaffen, in denen Männer im Vertrauen untereinander über ihre erlittenen Gewalterfahrungen sprechen konnten? Was bedeuten die Ergebnisse und Analysen der ForuM-Studie für die zukünftige Gestalt von Männerarbeit?", fragt der Vorstand der Männerabeit.
Mit der Veröffentlichung sei die Arbeit mit der Studie noch längst nicht erledigt. Neben neuen Regelungen und Maßnahmen sei vor allem eines nötig: einen Haltungs- und Bewusstseinswandel zu beginnen. Dazu gehöre es, genau hinsehen zu wollen, Tabuisierungen zu durchbrechen, die vielgestaltigen Abwehrreflexe zu überwinden und offen miteinander zu kommunizieren. "Hier haben die evangelische Kirche und die evangelische Männerarbeit noch einen weiten Weg vor sich."