Der Bundesverband Mobile Beratung warnt vor einer Ausbreitung des Rechtsextremismus in Deutschland. Die "extrem rechte AfD" sei erfolgreicher denn je, ihre Narrative würden immer häufiger von Vertreterinnen und Vertretern demokratischer Parteien übernommen, teilte der Dachverband von rund 50 Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus bundesweit am Montag in Berlin bei der Vorstellung seines Jahresrückblicks mit.
Auch sei aus den Corona-Protesten ein stabiles antidemokratisches Protestmilieu entstanden, das jede Krise verschwörungsideologisch auflade. "Dieses Milieu hat in vielen Regionen ein Protestmonopol errungen", sagte Dominik Schumacher, Berater bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in der Region Düsseldorf.
Zudem hätten rechtsextreme Akteure vielerorts Immobilien gekauft und seien im Osten wie im Westen weiter in die Sozialräume vorgedrungen. Ein Beispiel sei das "Königreich Deutschland", ein 2012 in Lutherstadt Wittenberg von dem "Reichsbürger-Aktivisten" Peter Fitzek gegründeter Fantasiestaat, der sich in einigen Regionen Ostdeutschlands ausbreitet.
Engagierte Menschen sind geforderter denn je
Zugleich sei die Widerstandskraft der Zivilgesellschaft schwächer geworden. "Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, sind geforderter denn je - und zugleich ermüdet und ausgebrannt", sagte Schumacher. Sie fühlten sich allein und von der Politik im Stich gelassen, würden bedroht und angefeindet. Das gelte vor allem für Regionen, in denen demokratische Parteien die viel beschworene "Brandmauer" zur AfD eingerissen hätten, etwa durch vertraute Gespräche auf dem Flur, ein Bier in der Kneipe oder gemeinsame Abstimmungen in einem Parlament.
Das bestätigte Dorothea Schneider vom Zittauer Verein "Augen auf Oberlausitz": "Wir fragen uns manchmal, haben wir überhaupt noch die Mitte der Gesellschaft?" Schneider wehrt sich mit Gleichgesinnten seit Jahren gegen die Landnahme durch Rechtsextremisten in Ostsachsen. Mittlerweile gebe es in der Region kaum noch eine Ortschaft ohne rechte Akteure, sagte sie. Zugleich würden zivilgesellschaftliche Initiativen weiterhin nur temporär gefördert, oder sie sollen sich gegenüber der AfD zu Neutralität verpflichten.
"Ich fordere, dass wir langsam ernst genommen werden", betonte Schneider. Die heutige Situation sei für Engagierte vor Ort noch gefährlicher als in den sogenannten Baseballschlägerjahren in der 1990er Jahren.
Laut Beate Küpper, Rechtsextremismus-Forscherin an der Hochschule Niederrhein, spiegeln sich die Erkenntnisse der Mobilen Beratungen in einem drastischen Anstieg demokratiegefährdender Einstellungen in der Bevölkerung wider. Laut der jüngsten Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung teilten 8,3 Prozent ein geschlossen rechtsextremes Weltbild, weitere 20 Prozent bewegten sich in einem Graubereich. Nur noch 72 Prozent lehnten Rechtsextremismus deutlich ab. Vor zwei Jahren waren es 80 Prozent.
"Rechtsextremismus ist selbstbewusster geworden", warnte Küpper. Wichtig und vordringlich seien deshalb Rückenschutz für demokratisch Engagierte und der Schulterschluss von Kommunalpolitikern vor Ort mit ihnen.