Die Lübecker können bald ihre Einkäufe mit dem Kirchgang verbinden: Vier Geschäfte aus der Hansestadt ziehen vom 22. Oktober bis 5. November in vier Kirchen ein und verkaufen dort ihre Produkte. Was nach einem neuen Geschäftsmodell klingt, ist in Wahrheit eine Ausstellung des Berliner Konzeptkünstlers Christian Jankowski unter dem Titel "Heilige Geschäfte".
Obst, Gemüse und Müsli aus dem Biosupermarkt "Landwege" werden in der evangelisch-reformierten Kirche angeboten. iPhones und Fernseher des Geschäfts JessenLenz ziehen in St. Jakobi ein. Auf Sesseln des Möbelgeschäfts Bolia können Besucher in der Kulturkirche St. Petri verweilen. Und Holtex bietet in der Wichernkirche Pullover, Hosen und Kleider an. Zur Anprobe soll auch eine Umkleidekabine aufgestellt werden.
Jankowski ist bekannt dafür, dass er gewohnte Situationen auf den Kopf stellt. Eins seiner Werke zeigt ihn als Jäger, der im Supermarkt mit Pfeil und Bogen Lebensmittel erlegt. Ein halbes Jahr lang hat er sich im Auftrag der Overbeck-Gesellschaft mit Lübeck beschäftigt. Als zentrale Merkmale machte er den Handel und die stadtbildprägenden Kirchen aus. "Beides ist Lübeck quasi in die DNA geschrieben", erklärt der 55-Jährige.
Früher sei der Glaube für die Menschen identitätsstiftend gewesen, sagt Jankowski. Gotteshäuser waren öffentliche Orte, wo man sich begegnete und auch Geschäfte machte. Heute stehen die Kirchen meist nicht mehr im Zentrum des Lebens. "Dafür ist etwa der Besitz des neuesten iPhones zum identitätsstiftenden Merkmal geworden."
Die Ausstellung soll Handel und Kirchen vereinen. Im ersten Schritt drehte Jankowski Videos mit Lübecker Pastorinnen und Pastoren, die durch Geschäfte gehen und aus ihrer Sicht über Konsum und Kirche sprechen. Die Clips sind bis zum 5. November in der Overbeck-Gesellschaft zu sehen. Im zweiten Schritt sollen die Geschäfte in die Kirchen kommen und verschiedene Gruppen zum Gespräch zusammenführen. Touristen und Kunden treffen bei den "Heiligen Geschäften" auf Gottesdienstbesucher, Theologen und Verkäufer.
Ein Projekt, das provoziert
Das Projekt stößt in Lübeck auch auf Kritik, die in einem Rahmenprogramm zur Ausstellung aufgefangen werden soll. Im Gemeinderat sei viel diskutiert worden, es hätten ihn schon viele Fragen erreicht, sagt Pastor Lutz Jedeck von St. Jakobi. "Das Projekt provoziert. Das soll es auch." Für viele Menschen sei der Kirchraum ein heiliger Raum, "vielleicht sogar die letzte Bastion von Reinheit". Da provoziere es, dass er mit weltlichen Bedürfnissen konfrontiert werde. "Aber Martin Luther formulierte: 'Wo Du Dein Herz dranhängst, das ist dein Gott.' Die daraus entstehende Diskussion ist der große Reiz, den das Kunstprojekt ausmacht", so Jedeck.
Auch Pastorin Imke Akkermann-Dorn von der evangelisch-reformierten Kirche sieht in dem Projekt eine Chance. In Zeiten des Überkonsums und des zugleich wachsenden Bewusstseins dafür biete die Ausstellung Gelegenheit zum Gespräch. Dem Künstler Jankowski ist es wichtig, dass kirchliche Abläufe durch die Ausstellung nicht gestört werden. Die Kirchen sind täglich von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Verkauf soll während der Gottesdienste aber pausieren.