Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsvorwürfen gegen seinen Amtsvorgänger, Kardinal Franz Hengsbach (1910-1991), Versäumnisse eingeräumt. "Ich bitte Sie nun alle um Entschuldigung für meine Fehler", erklärte Overbeck in einem am Freitag in Essen veröffentlichten Brief an die Gemeinden seines Bistums. Das Hengsbach-Denkmal auf dem Domhof soll laut Bistum "alsbald" entfernt werden.
Overbeck erklärte, 2011 durch das Erzbistum Paderborn von einem ersten Missbrauchsvorwurf gegen Hengsbach erfahren zu haben. Nach der Rückmeldung der Kongregation für die Glaubenslehre, die die Vorwürfe für nicht plausibel hielt, habe er nichts weiter unternommen, weil er den Fall als bearbeitet ansah. Er habe deshalb auch das Forschungsteam nicht auf diesen Vorgang aufmerksam gemacht, das die im März vorgestellte Aufarbeitungsstudie zu sexuellem Missbrauch im Bistum erarbeitet hatte.
Auch habe er bereits 2011 die damalige Missbrauchsbeauftragte des Bistums nicht über den vorliegenden Vorwurf gegen Hengsbach informiert. "So kam es, dass sie im August des Jahres 2011 die Anfrage einer Behörde in einer Versorgungsangelegenheit verneinte, ob dem Bistum Essen Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Hengsbach bekannt seien", erklärte der Bischof.
Er habe 2011 nicht glauben können, "dass ein geschätzter Kardinal, der zugleich mein Vorgänger im Bischofsamt war, anderen Menschen furchtbares Leid zugefügt haben könnte", schreibt der Ruhrbischof. "Im Ergebnis muss ich nun eingestehen, dass die Vorwürfe im Jahr 2011 falsch eingeschätzt wurden und den Betroffenen Unrecht geschehen ist." Gerade mit Blick auf die Aufarbeitungsstudie sei ihm nun deutlich geworden, "dass ich nach den Standards damaliger Zeit handelte, die sich aus heutiger Sicht als vollkommen ungenügend darstellen". Ihm sei damals nicht bewusst gewesen, dass er damit "dem Muster folgte, dem Schutz des Ansehens eines kirchlichen Würdenträgers Vorrang zu geben und die betroffenen Menschen nicht hinreichend zu sehen".
Stadt Essen: Kardinal-Hengsbach-Platz umbenennen
Als Reaktion auf die Missbrauchsvorwürfe beschlossen die Domkapitulare am Freitag, das Hengsbach-Denkmal zu entfernen, wie das Bistum mitteilte. Dompropst Thomas Zander teilte mit, das Domkapitel wolle anstelle der Skulptur einen Gedächtnisort für die Opfer sexuellen Missbrauchs schaffen.
Zuvor hatte bereits die Stadt Essen erklärt, den im Stadtzentrum gelegenen Kardinal-Hengsbach-Platz umzubenennen. Das weitere Vorgehen der Stadt werde in den zuständigen Ausschüssen und eng mit dem Bistum sowie dem Generalvikariat abgestimmt, hatte Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) erklärt.
In dieser Woche hatte das Bistum mitgeteilt, dass gegen den Gründungsbischof des Ruhrbistums "gravierende" Missbrauchsvorwürfe vorliegen, die sich auf die 1950er und 1960er Jahre beziehen. Die aktuellen Nachforschungen wurden durch eine Person ausgelöst, die sich im vergangenen Oktober bei den Ansprechpersonen des Bistums gemeldet und angegeben hatte, dass sie im Jahr 1967 einen sexuellen Übergriff durch Hengsbach erlitten habe.