"Kinder, die in Armut groß werden, sind in vielen Bereichen völlig ausgeschlossen von der Teilhabe am Leben", erklärte die EKD-Ratsvorsitzende. Wer als Kind keine Chance habe, habe auch später als Erwachsener keine mehr. "Man kann gar nicht genug für die Kindergrundsicherung tun", sagte Kurschus: "Je mehr, desto besser."
Die 60-jährige Theologin kritisierte die Argumentation, mit der Kindergrundsicherung werde ein "Freifahrtschein" für Eltern ausgestellt, das Geld für sich auszugeben. Gerade Eltern in sozial schwächeren Schichten setzten sich besonders ein, damit ihr Kind beispielsweise trotz knapper Kasse ein Geschenk zum Kindergeburtstag mitbringe. Diese Menschen stünden vor Anforderungen, die sich Menschen in gut situierten Verhältnissen kaum vorstellen könnten. Und sie meisterten das größtenteils "mit einer bemerkenswerten Würde".
In der Kindergrundsicherung sollen Familienleistungen zusammengefasst, vereinfacht und automatisch ausgezahlt werden. Sie ist das wichtigste sozialpolitische Vorhaben der Ampel-Koalition. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) streiten seit Monaten, wie viel Geld für die Kindergrundsicherung jährlich zur Verfügung stehen soll. Paus hat ihre Forderungen inzwischen auf bis zu sieben Milliarden Euro jährlich reduziert, Lindner will die Ausgaben bei zwei Milliarden Euro deckeln.
Keine Alternative zur Aufnahme von Geflüchteten
Die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, sieht trotz wachsender Unterbringungsprobleme auch keine Alternative zur Aufnahme von Flüchtlingen: "Wir wenden uns gegen jede Art von Abschottungs- und Abschreckungspolitik, die ja leider derzeit wieder neu gestärkt wird", sagte Präses Annette Kurschus der Evangelischen Kirche von Westfalen am Donnerstagabend ebenfalls in Dortmund. Was an den EU-Außengrenzen etwa mit Zurückweisungen von Schutzsuchenden passiere, habe "mit Menschenwürde an vielen Stellen wenig zu tun".
Der evangelischen Kirche sei bewusst, dass Kommunen und Bundesländer bei der Aufnahme der Migranten "derzeit an Grenzen stoßen", sagte die leitende Theologin der viertgrößten deutschen Landeskirche. Deshalb verlangten die Kommunen mehr Unterstützung der Länder und die Länder wiederum mehr Unterstützung vom Bund.
Es gelte auch, den Rechtspopulismus nicht zu stärken. Das sei "eine echte Zerreißprobe". Dennoch müsse "die Würde der Menschen an erster Stelle stehen", betonte die EKD-Ratsvorsitzende. Flucht und Migration seien angesichts der Klimaerwärmung und weltweiter Krisen kein vorübergehendes Phänomen: "Deutschland wird ein Migrationsland bleiben."