Sonntags ab 14.30 Uhr serviert Atiqullah Miazada Seniorinnen und Senioren Kaffee und Kuchen. Der 32-Jährige trägt ein weißes Hemd, lächelt und begrüßt die älteren Herrschaften, die das Café des Johanniter-Hauses Dietrichsroth in Dreieich (Landkreis Offenbach) betreten. Miazada hält die Türen auf und wartet geduldig, bis die Menschen sich setzen. Manchmal bleibt er etwas länger stehen oder setzt sich an einen Tisch dazu, für eine kurze Unterhaltung.
"Ich möchte etwas zurückgeben, weil mir die Deutschen damals so viel geholfen haben", begründet der Afghane sein freiwilliges Engagement. Er ist aus seiner Heimat geflohen und lebt seit 2019 in Deutschland. Miazada erzählt, dass er vor allem dankbar für die Hilfe beim Deutschlernen war und ist. Außerdem sei er dankbar dafür, dass er eine eigene Wohnung gefunden und durch viele Unterstützung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten habe. Diese sei kürzlich noch einmal für drei Jahre verlängert worden. Er plane, Ende des Jahres einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen.
Mit einem Tablett in der Hand und aufmerksamem Blick geht Miazada durch das Senioren-Café. Er bringt Brigitte Buß eine Karaffe Wasser. Die 80-Jährige wohnt in der Alten- und Pflegeeinrichtung und freut sich, wenn sie den Freiwilligen sieht. Er sei "sehr liebenswert", man müsse ihn einfach mögen. Mit strahlenden Augen fügt sie lachend hinzu: "Er hat auch einen gewissen Charme, das darf ich sagen, auch als alte Oma." Miazada lacht mit. Die Seniorin und er unterhalten sich häufiger, auch über seine Vergangenheit. "Schade, dass in seinem Heimatland alles so traurig ausschaut", sagt sie und schüttelt den Kopf.
"Mein Deutsch ist nicht so gut, ich mache oft Fehler, aber natürlich lerne ich auch hier die Sprache und die Kultur", sagt Miazada. Die Gründe für seine Flucht aus Afghanistan möchte er nicht nennen. Der Mann mit den kurzen dunklen Haaren sagt, dass er dort Probleme hatte und deshalb alleine, ohne Eltern und Geschwister, geflüchtet sei. Er sei in Gießen angekommen, dann habe er in Büdingen gelebt, später in einer Unterkunft für Geflüchtete in Dreieich. Seit zwei Jahren habe er eine eigene kleine Wohnung in Neu-Isenburg.
Natürlich habe er Heimweh, schiebt Miazada mit ernster Miene nach. Vor zwei Jahren sei sein Vater gestorben und er habe ihn nicht noch einmal sehen können. "Aber ich versuche immer, positiv weiterzumachen", sagt er. Vergangenes Jahr habe er den Führerschein gemacht und kommendes Jahr werde er sich um einen Ausbildungsplatz in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bewerben. Denn trotz seiner zehnjährigen Erfahrung als Mechaniker habe er von mehr als 40 Autowerkstätten nur Absagen für einen Ausbildungsplatz erhalten. Derzeit arbeitet er Vollzeit in einer Druckerei.
Seit drei Jahren hilft Miazada an drei Sonntagen im Monat ehrenamtlich im Johanniter-Haus Dietrichsroth. Einrichtungsleiterin Gabriele Roettger findet seine Motivation außergewöhnlich und sein Engagement sehr bereichernd. Er habe eine "wahnsinnig positive und freundliche Ausstrahlung", sagt sie. Das werde von den Senioren sehr geschätzt. Am verbleibenden vierten Sonntag eines Monats helfe er ehrenamtlich in der Winkelsmühle in Dreieich, einem Begegnungsort des Diakonischen Werks Offenbach-Dreieich-Rodgau.
Helfen statt Ausruhen
Miazada fährt bei gutem Wetter mit dem Fahrrad oder seinem Motorroller, bei Regen ist er mit dem Bus unterwegs. "Andere Leute wollen ins Schwimmbad gehen oder einfach Ruhe haben am Sonntag, aber ich will auf jeden Fall zu den Menschen gehen und helfen. Auch wenn ich manchmal müde bin, macht es Spaß", betont der junge Mann, der nach eigenen Angaben von Montag bis Samstag 48 Stunden arbeitet. Die alten Menschen redeten gerne mit ihm, sie seien sonst die meiste Zeit alleine.
Helga Müller wohnt auch im Haus Dietrichsroth und freut sich über das Engagement von Miazada: "Toll, dass er hier ist. Wir freuen uns, wenn wir gut unterhalten werden und wenn wir noch verwöhnt werden mit Kuchen und Kaffee, wunderbar." Miazada ist glücklich, dass er in Deutschland ist, wie er sagt. Hier habe er seine Ruhe, könne lernen, was er wolle, arbeiten, und alles sei offen für ihn. "Ich sage vielen Dank an alle Leute, die mir geholfen haben." Nun hilft er anderen.