Flip-Flops oder Badelatschen an den Füßen, nasse Haare, schlammige Rucksäcke und immer wieder pinke Stirnbänder und Teilnehmerbändchen: Wo es zum Muddy Angel Run geht, ist auch ohne Wegbeschreibung oder Beschilderung schnell klar. Auf dem Mannheimer Maimarktgelände dröhnt an diesem Tag laute Musik aus Boxen. Gerade erklimmen mehrere schlammverkrustete Läuferinnen ein Podest, gleiten auf der Rückseite über aufblasbare Rutschen herunter, dahinter liegt das Ziel. "Ihr seid super, ihr habt es geschafft", ruft eine Frau ins Mikrofon. Eine Dreiergruppe joggt in Siegerpose über den Zielstrich, ein Fotograf hält die Szene fest.
Schlammläufe oder Dirt Runs sind seit einigen Jahren in Deutschland etabliert: Sie heißen Tough Mudder, Mud Masters, Spartan Race, Cross Deluxe, Iron Race oder auch Strong Viking. Was sie alle gemeinsam haben, sind Hindernisse, die es zu überwinden gilt, und eine Strecke, die die Teilnehmer:innen am Ende definitiv nicht sauber ankommen lässt. Spartan Race beispielsweise bietet jährlich 170 Rennen in 25 Ländern an, mit mehr als einer Million Startern. Vielerorts gibt es auch spezielle Läufe für Familien oder Kinder.
Der Muddy Angel Run, der 2023 in elf Städten in Deutschland sowie in Wien und Zürich Station macht, hat als Lauf nur für Frauen ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Die Veranstaltung will zum Thema Brustkrebs aufklären und kooperiert eng mit dem Verein Brustkrebs Deutschland.
Von jedem Ticket und Fanshop-Artikel geht ein Euro an den Verein. Mehr als 620.000 Euro seien so seit dem Start der Laufreihe 2016 zusammengekommen, sagt Sprecherin Jasmin Saalfeld. Alleine 100.000 Starterinnen seien in diesem Jahr dabei, für August und September stehen noch Läufe in Dresden, Hamburg und Köln an.
Ziel des Muddy Angel Runs ist, von Brustkrebs betroffenen Frauen Kraft zu geben und Prävention durch Bewegung vorzustellen - auf eine Art, die Spaß macht. Pro Veranstaltung haben 50 Brustkrebspatientinnen oder Frauen, die die Krankheit hinter sich gelassen haben, die Möglichkeit, als sogenannte Strong Angels kostenlos zu starten. In Hamburg laufe jedes Jahr eine große Frauengruppe der "Kieler Brustkrebssprotten" mit. Der Verein bietet Selbsthilfe an und bringt Frauen zu Sport- und Präventionsangeboten zusammen.
Spaß und Bewegung stehen auch beim Dirty Church Run im Mittelpunkt. Der Matschlauf der Kirchengemeinde Beiseförth-Malsfeld in Nordhessen findet im kommenden Jahr bereits zum fünften Mal statt. Aktueller Anlass zur ersten Auflage sei gewesen, Geld für die neuen Kirchenfenster aufzutreiben, berichtet Pfarrer Henning Reinhardt.
Dass er darauf gekommen sei, einen Matschlauf zu veranstalten, habe aber noch andere Gründe, darunter das Buch "Warum Männer nicht in den Gottesdienst gehen" von David Murrow, sagt Reinhardt. Darin werde die These aufgestellt, sie kämen einmal und dann nie wieder in den Gottesdienst.
Der Pfarrer habe deshalb bei Männern nachgefragt, was sie gerne täten. "Mein Hobby sind Matschläufe", habe ihm ein junger Mann geantwortet. Anlässlich eines Gemeindefestes habe er dann einen solchen Lauf angeboten. Knapp 200 Leute kamen zur ersten Veranstaltung - und fragten nach einer Fortsetzung.
Inzwischen hat sich die Teilnehmer-Zahl vervielfacht, und es gibt einen eigenen Lauf für Kinder. Die Teilnehmenden kommen aus ganz Deutschland auf den Sportplatz am Rand des Flüsschens Fulda, das auch durchlaufen wird. Jährlich baggert ein Bauunternehmer eine Wiese aus und befüllt das Loch später wieder. 200 Ehrenamtliche sind am Lauftag dabei, er beginnt mit einem Gottesdienst.
Eingebunden ist sogar das Rechtsreferat der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, "schließlich brauchen wir eine juristisch geprüfte Haftungsfreizeichnung", sagt Reinhardt. Neben der Kirche profitieren auch andere: Jährlich stehen jeweils ein globales, ein regionales und ein lokales Projekt zur Auswahl, die gefördert werden können. Die Läufer:innen entscheiden, wer das Startgeld bekommt. Spendenempfänger wie das Hospiz Kassel informieren vor Ort.
"Die Kirchengemeinde hat durch den Lauf an Charakter gewonnen", sagt Reinhardt. Das bedeute nicht, dass automatisch die Kirche am Sonntagmorgen voller wäre: "Aber die Leute stehen ihrer Kirchengemeinde offener gegenüber, sind leichter anzufragen für andere Projekte."