Als Shirvan Khaled (28) vor fast acht Jahren nach Deutschland kam, war die deutsche Sprache nur ein Hindernis von vielen. Zu diesem Zeitpunkt war sie schwanger und kam mit ihrem Mann und Kind nach Hamburg, um Asyl zu beantragen. "Zuerst habe ich Unterstützung vom Sozialamt bekommen und dann hat unsere Nachbarin, sie ist Deutsche, uns sehr geholfen." Sie weiß, vor welchen Schwierigkeiten geflüchtete Familien stehen, wenn sie gerade ankommen und fremd in Hamburg sind. Ihre Erfahrungen gibt sie an diese Familien als sogenannte Stadtteilmutter weiter.
Das Projekt "Stadtteilmütter" der Diakonie Hamburg hat im Bezirk Altona mittlerweile vier Standorte und rund 80 Ehrenamtliche. Frauen mit Migrationshintergrund unterstützen Familien mit Migrations- und Fluchthintergrund bei allen Fragen rund um Gesundheit, Bildung, soziale Teilhabe und Berufs-(Wieder-)Einstieg. "Dabei sind sie super nah an den Familien dran, weil sie die gleiche Sprache sprechen und die Probleme kennen", sagt Projektleiterin Nadine Schröder. Und sieht darin einen erheblichen Vorteil im Gegenüber zu Behörden und professionellen Beratern.
Ab und an begegnen Shirvan Khaled auch im Umgang mit Ärzten oder Behörden, zu denen sie Familien begleitet, verwunderte Gesichter. Sie werden dann gefragt, was eine Stadtteilmutter macht. Dann erkläre sie, dass sie begleitet und unterstützt, aber keine Dolmetscherin sei oder Anträge stellvertretend für die Familien unterschreibe. Vor allem sei sie für die Familien eine emotionale Stütze: "Ich habe selber drei Kinder und fühle, wie sich die Familien fühlen, wenn sie neu in Deutschland sind und die deutsche Sprache nicht genug kennen."
"Ich höre den Familien zu und gebe die Tipps weiter", wenn es um die Anmeldung zum Deutschkurs oder um den Kitaplatz geht, erklärt Khaled. Und die Stadtteilmutter ergänzt: "Und wenn ich selber etwas nicht weiß, rufe ich unsere Koordinatorin an und sie gibt dann auch mir Tipps." Eine enge Vernetzung im Stadtteil und eine funktionierende Infrastruktur, in Hinblick auf Hilfen und Ansprechpartner, das sei wichtig, damit das Projekt läuft. Gleichzeitig sei es eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. "Ich gewinne selbst viel Lebenserfahrung", sagt Khaled und ist froh über die Hilfe, die die Diakonie bietet.
Die Vernetzung zwischen Stadtteilmüttern und Familien laufe entweder über die Koordinatorinnen des Projekts oder ganz gezielt im Stadtteil, "wenn sie Familien an Bushaltestellen kennenlernen, weil Menschen dort ein bisschen verwirrt auf Papiere starren und zufällig ihre Sprache sprechen", erklärt Schröder. Genau zu dieser selbstständigen Kontaktaufnahme sind die Stadtteilmütter angehalten, "weil wir der Meinung sind, dass die Stadtteilmütter näher an den Communities dran sind als wir". Meist finde der Kontakt aber direkt über die Schulen und Kitas statt, in denen die Kinder sind.
Die Unterstützung im Alltag sei unkompliziert und niedrigschwellig - wie in diesem Beispiel: Shirvan Khaled bekommt eine Text-Nachricht von einer der acht Familien, die sie aktuell begleitet. Das Kind sei krank und könne nicht in die Schule gehen, doch die Sprachbarriere, den Anruf selbst zu machen, sei zu hoch. "Dann habe ich die Nummer von der Schule bekommen und angerufen und gesagt, ich betreue die Familie, ich bin eine Stadtteilmutter. Das Kind kommt heute nicht zur Schule." Solche Momente, wenn sie auf Deutsch telefoniert - eine Sprache, die sie erst neu gelernt hat - geben ihr Selbstbewusstsein.
Shirvan Khaled freut sich immer, wenn sie mehr von dem Projekt "Stadtteilmütter" erzählen kann, denn nicht viele wissen, dass es dieses Ehrenamt gibt. Es bekannter zu machen ist auch das Anliegen von Nadine Schröder und ihrem Team: Vernetzung über das Projekt hinaus. "Die Stadtteilmütter sind sehr nah an den Familien dran, dadurch zeigen sie eine hohe Solidarität und Hilfsbereitschaft, von der wir viel lernen können", meint Schröder wertschätzend.