Die Tatsache, dass ein Gen der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit entgegenwirke, könne ein möglicher Ansatzpunkt für zukünftige Medikamente und Therapien gegen die Erkrankung sein. Denkbar sei etwa eine zellspezifische Gentherapie. "Das mag noch weit weg sein, aber wir haben gelernt, wohin wir zielen müssen", sagte Sepulveda-Falla.
Das Forschungsprojekt des UKE, der Harvard Medical School, der Universität von Antioquia in Kolumbien und weiteren Einrichtungen hat bei der Untersuchung des Erbguts eines mit 74 Jahren verstorbenen Patienten eine sehr seltene Variante des sogenannten Reelin-Gens festgestellt. "Trotz erblicher Veranlagung hat ihn dieses jahrzehntelang vor dem Ausbruch von Alzheimer bewahrt", sagte der UKE-Forscher. Das Reelin-Gen spiele eine wichtige Rolle für die Funktion und Entwicklung von Hirnzellen. Die Mutation hat demnach die Ablagerung des zerstörerischen Tau-Proteins in den Gehirnzellen des Patienten verhindert. Dieser Effekt könnte Hinweise darauf geben, wie dieser Prozess auch bei anderen Alzheimer-Patienten gestoppt werden könne.
"Besonders stark war diese Schutzwirkung in einer Schlüsselregion des Gehirns für Lernprozesse und das Gedächtnis, deren Nervenzellen im Zuge einer Alzheimer-Erkrankung meist als Erstes geschädigt werden", erklärte Sepulveda-Falla. Jetzt soll weiter erforscht werden, ob und wie sich das Wissen um die Mutation für einen therapeutischen Ansatz gegen Alzheimer nutzen lässt.
2019 war ein ähnlicher Erkrankungsfall untersucht worden. Hier wurde eine genetische Variante in einem anderen Protein identifiziert, die für den verlangsamten Krankheitsverlauf verantwortlich war. "Die Tatsache, dass es neben dem 2019 gemeldeten Fall einen zweiten Fall mit einer schützenden Gen-Variante gibt, deutet darauf hin, dass es noch mehr Personen geben könnte, die Mutationen tragen, die vor dieser Krankheit schützen können", sagte der UKE-Forscher. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht.
Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es zu einem Abbau der Nervenzellen im Gehirn und dadurch zu abnehmenden Fähigkeiten der Erkrankten. Sie ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer (1864-1915) benannt, der die Krankheit erstmals im Jahre 1906 wissenschaftlich beschrieb. In ihrer häufigsten Form tritt sie bei Menschen über dem 65. Lebensjahr auf und ist durch zunehmende Demenz gekennzeichnet. Zum Krankheitsbild gehören Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit.