Theologe Michael Roth kritisiert Wortmeldungen aus der Kirche, die seiner Meinung nach zu "einer gefälligen Wortwolke zusammengemixt" würden. Das sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Außerhalb der Kirche kann so etwas gar nicht mehr verstanden werden, so etwas hat ausschließlich in einer Synode seinen Ort", so Roth weiter.
Auf der Synode der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN) in Frankfurt hatte Jung am Donnerstag erklärt, das Engagement der "Letzten Generation" sei berechtigt. Sie stehe in der biblischen Tradition endzeitlicher Denker und von Jesus selbst. Allerdings seien ihre Protestformen fragwürdig. Ende 2022 war auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Klimaschützerin aufgetreten, die Synodalen hatten ihr stehend Beifall gespendet.
"Ich finde es unglaublich schwer, die biblischen Texte mit der gegenwärtigen ökologischen Situation in Verbindung zu setzen", sagte Roth, der an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität Systematische Theologie und Sozialethik lehrt. Parallelen zwischen biblischen Propheten und Klimaaktivisten seien allenfalls formal. Davon abgesehen seien Aussagen zur Klimaschutzbewegung aus Jungs Synodenbericht belanglos. Kaum jemand bestreite die Notwendigkeit von Klimaschutz: "Auch von den Autofahrern, die wegen der Aktionen im Stau stehen müssen, will niemand einen möglichst brutalen Klimawandel."
Entscheidende Themen würden jedoch von der evangelischen Kirche bislang ausgeblendet, kritisierte der Wissenschaftler. So finde andernorts längst eine Debatte darüber statt, was es für die Gesellschaft bedeute, wenn eine Minderheit der Mehrheit ihre Ziele aufzwingen will, und ob der Anspruch der Klimaaktivisten religiös überhöht sei. "Es scheint mir nicht sinnvoll, wenn der Beitrag der Kirche zu einem differenzierten, der Vernunft verpflichteten Diskurs in der Gesellschaft sich auf die Aussage beschränkt: 'Boah ey, krass, voll wie Jesus'", sagte Roth.
Unbestritten sei, dass auch die Kirche einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müsse - wie alle anderen selbstverständlich auch. Wer hinter sich das Licht ausmache, könne dies auch tun, ohne es mit Verweis auf Gottes Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, theologisch zu überhöhen.
Habeck kritisiert Protestformen der "Letzten Generation"
Unterdessen hat sich der Bundesklimaminister Robert Habeck (Grüne) zu Wort gemeldet: Er habe Verständnis für die Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" geäußert, deren Protestformen jedoch kritisiert. "Im Grunde bewundere ich die jungen Leute für ihre Courage - alle", sagte Habeck bei einem Bühnentalk des "RedaktionsNetzwerks Deutschland" am Freitagabend in Kiel. Diese Generation mache das mit einer großen Ernsthaftigkeit und bringe sich politisch ein. "Wenn man so 17 bis 22 ist, dann will man viel und das, was man will, will man häufig radikal."
Die Ernsthaftigkeit der radikalen Klima-Aktivisten beeindrucke ihn mehr als eine große Gleichgültigkeit. Nach dem Motto: "Ist mir doch egal, ich baller über die Autobahn und wenn das Auto 20 Liter macht, ist ja wurscht, Hauptsache ich bin schnell da oder ich habe das dickste Auto", sagte Habeck bei "RND vor Ort" und ergänzte: "Dann würde ich mich lieber für die anderen entscheiden."
Habecks Appell: Findet Protestformen, die Mehrheiten schaffen
Trotzdem schaue er mit Sorge auf radikale Klimaproteste. Es sei eine historisch große Leistung von "Fridays for Future" gewesen, "eine gesellschaftliche Mehrheit für Klimaschutz hinzubekommen", sagte der Grünenpolitiker. Die jetzige Radikalisierung schaffe jedoch nicht die Mehrheit. Habeck appellierte: "Findet Protestformen, die Mehrheiten schaffen für euer Anliegen und zieht euch nicht in eine Nische zurück, wo ihr nur unter euresgleichen mehrheitsfähig seid."