In einem Online-Kurs über Klimagerechtigkeit, der kürzlich an der Theologischen Hochschule Universidad Bíblica Latinoamericana (UBL) in Costa Rica stattfand, tauschten Studierende aus ganz Lateinamerika Bilder und Geschichten über die Auswirkungen des Klimawandels in ihren Gemeinden aus. Als die Klasse Bilder von Überschwemmungen und Dürren, von erodierenden Stränden und brennenden Wäldern betrachtete, konnten die Teilnehmenden leicht erkennen, wie die Auswirkungen, die sie in ihren eigenen Gemeinden sehen, Teil eines größeren Prozesses sind. Sie begannen zu verstehen, wie sich der Klimawandel auf alle Bereiche des menschlichen Lebens auswirken wird.
Für die Menschen, die von immer stärkeren Wirbelstürmen heimgesucht werden, ist Klimagerechtigkeit kein abstraktes Konzept. Diejenigen, die zusehen, wie die Wasservorräte für ihre Dörfer und ihre Ernten verschwinden, während die Gletscher in den Anden schmelzen, wissen, dass ihre Gemeinden nur sehr wenige der Treibhausgase ausgestoßen haben, die den globalen Temperaturanstieg verursachen. Studierende, die an die UBL kommen, suchen nach Werkzeugen, um sich der größten pastoralen Herausforderung ihres Lebens zu stellen, nämlich auf die Auswirkungen des Klimawandels so zu reagieren, dass das Leben geschützt und gerechtere und nachhaltigere Gemeinschaften aufgebaut werden.
Was bedeutet Mission heute? Das ist nicht leicht zu beantworten. Doch mission.de will genau das. Hier kommen Menschen zu Wort, die weltweit in Mission und Ökumene vernetzt und zuhause sind und etwas zu sagen haben. Ein Blog gibt Raum für pointierte Meinungen, aktuelle Themen und Beiträge zu laufenden Diskursen. mission.de ist eine Initiative evangelischer Missionswerke, Verbände und Kirchen unter dem Dach der Evangelischen Mission Weltweit (EMW).
Die eskalierenden Auswirkungen des Klimawandels zeigen, dass das Ökologische nicht länger ein Thema unter vielen für unsere theologische Betrachtung sein kann. Die Klimakrise bildet nun den Kontext für unsere gesamte christliche Praxis: unsere Bibellektüre, unsere theologische Reflexion und unsere pastoralen Antworten. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass alle Formen theologischen Denkens aus spezifischen Kontexten hervorgehen und auf diese reagieren. Dennoch wurde die Biosphäre als größerer Kontext für die theologische Reflexion weitgehend ignoriert.
Als ersten Schritt in unserer theologischen Überlegung müssen wir beginnen, unsere Theologie innerhalb der natürlichen Prozesse der Biosphäre neu zu überdenken. Leitende können die Gemeinschaften und Gruppen, die sie begleiten, bei der Formulierung einer Theologie anleiten, die sich auf Gottes Liebe zur Schöpfung und zu den Menschen als Teil von Gottes Schöpfung konzentriert. Diese Theologie findet ihren Ausdruck nicht nur in Gottesdiensten und Predigten, sondern auch in christlichen Bildungsprogrammen für Kinder und Erwachsene und in der Gemeindearbeit.
Schädliche Theologien dekonstruieren
Christliche Führungskräfte müssen mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Klimawandel hinreichend vertraut sein, damit sie den Gemeinschaften helfen können zu verstehen, wie die Auswirkungen, die sie in ihrem lokalen Umfeld erleben, mit größeren wirtschaftlichen und politischen Prozessen zusammenhängen. In Lateinamerika hat die Befreiungstheologie betont, dass die sozialen Strukturen, die zu Armut und Ausgrenzung führen, das Ergebnis menschlicher Entscheidungen und nicht des Willens Gottes sind. Die gleichen wirtschaftlichen und politischen Prozesse sind auch für den Klimawandel verantwortlich.
Ein Teil der theologischen Aufgabe besteht darin, schädliche Theologien zu dekonstruieren. In unserer Region gibt es viele religiöse Stimmen, die erklären, dass durch Wetterphänomene verursachte Katastrophen die Strafe Gottes für vermeintliche moralische Abweichungen sind. Frauen und LGBTQIA+-Gruppen, die die Anerkennung ihrer Rechte fordern, werden oft als die Schuldigen hingestellt. Andere Stimmen verkünden, dass die zunehmende Schwere der Klimakatastrophen Zeichen der Endzeit sind, die alle Teil von Gottes vorherbestimmtem Plan sind, die Welt zu zerstören und die tausendjährige Herrschaft Christi herbeizuführen. Diese theologischen Perspektiven, die über den Äther und die sozialen Medien sowie von den Kanzeln aus verbreitet werden, führen zu Passivität angesichts des Klimawandels.
Während die Kursteilnehmenden die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Gemeinden analysierten, begannen sie, die seelsorgerischen Instrumente und Strategien zu identifizieren, die sie als Leitungspersonen benötigen, um den Aufbau widerstandsfähiger Gemeinden zu unterstützen. In Bezug auf die seelsorgerische Begleitung fragten die Kursteilnehmenden, welche Fähigkeiten sie benötigen, um Menschen nach einer kleineren oder größeren Klimakatastrophe bei der psychologischen, sozialen und spirituellen Erholung zu unterstützen. Glaubensgemeinschaften sind auch Räume, in denen Menschen, insbesondere junge Menschen, ermutigt werden können, ihre Ängste im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu erforschen und anzusprechen.
Lokale kulturelle Wissensquellen nutzen
In einer weiteren Übung identifizierten die Studierenden die Gruppen und Organisationen, die sich in ihren Gemeinden für Klimagerechtigkeit einsetzen. Als wir das Mosaik der Bemühungen in der Region untersuchten, wurde klar, dass die Maßnahmen der Gemeinden zur Bekämpfung der Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels je nach lokalem Kontext unterschiedlich aussehen. Daher müssen die Verantwortlichen in der Lage sein, ihren lokalen Kontext zu analysieren, um die Gaben und Ressourcen der Gemeinschaften zu erkennen. An vielen Orten in Lateinamerika leben indigene Gemeinschaften seit Jahrtausenden auf nachhaltige Weise in ihren Ökosystemen. Leitungspersonen von Glaubensgemeinschaften können sich auf lokale Wissensquellen stützen, sowohl in ihrer theologischen Reflexion als auch in ihren Bemühungen, das Handeln der Gemeinschaft zu fördern. Während die Menschen in ländlichen Gebieten ihre Beziehung zur Schöpfung überdenken, können kirchliche Organisationen Anbaumethoden wie die regenerative Landwirtschaft fördern, die sowohl die Bindung von Kohlenstoff als auch die Widerstandsfähigkeit gegen Dürre begünstigen.
Der Einsatz für Klimagerechtigkeit erfordert einen Dialog über Unterschiede hinweg. Die theologische Ausbildung in einem ökumenischen Umfeld fördert die Fähigkeit, Unterschiede zu respektieren und eine gemeinsame Basis zu finden. Religionsgemeinschaften können eine wichtige Rolle beim Aufbau von Koalitionen auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene spielen.
Klimagerechtigkeit erfordert politisches Handeln
Den Kursteilnehmenden wurde schnell klar, dass die Arbeit für Klimagerechtigkeit politisches Handeln erfordert, um Druck auf Regierungen und andere Akteur*innen auszuüben, damit die Belange der Gemeinschaft bei die Reaktionen auf den Klimawandel berücksichtigt werden. Die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen oft bestehende Ungerechtigkeiten, da die am stärksten gefährdeten Gruppen die größten Auswirkungen zu tragen haben. Religiöse Organisationen können sich für Abschwächungs- und Anpassungsstrategien einsetzen, die den Bedürfnissen von Randgruppen und der Beteiligung der Gemeinschaft an der Entscheidungsfindung Vorrang einräumen. Für diesen Teil der pastoralen Arbeit ist es notwendig, dass die theologische Ausbildung auch eine Schulung in Advocacy beinhaltet.
Gottes Aufruf an uns, uns für gerechte Beziehungen zwischen den Menschen und mit dem Rest der Schöpfung einzusetzen, ergeht heute an uns durch die Schreie der Erde und die Schreie der Verarmten. Eine kontextualisierte theologische Ausbildung bietet wichtige Perspektiven und Fähigkeiten für Gemeinschaften, die mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sind und sich bemühen, eine nachhaltige Zukunft innerhalb der Prozesse der Biosphäre aufzubauen.
evangelisch.de dankt der Evangelischen Mission Weltweit und mission.de für die inhaltliche Kooperation.
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