Am Abend vor seinem Tod am Kreuz steht Jesus vom letzten Abendmahl mit seinen Jüngern auf, gießt Wasser in ein Becken und beginnt, ihnen die Füße zu waschen. So steht es im Johannesevangelium. Die Kirchen erinnern am Gründonnerstag - dieses Jahr am 6. April - vielerorts an die Demutsgeste Jesu.
Zum Beispiel in Karlsruhe. Zwölf Stühle, zwölf Schüsseln mit warmem Wasser, Seife und Handtuch: Mitten auf dem Marktplatz wollen der evangelische Dekan Thomas Schalla und sein katholischer Kollege Hubert Streckert Passanten die Füße waschen. Und sind gespannt, wie das biblische Ritual ankommt: ob Menschen darin eine Wertschätzung erkennen oder es als unangenehm und peinlich ablehnen.
Positive Erfahrungen mit einer Fußwaschung nach biblischem Vorbild haben evangelische Pastoren im vergangenen Jahr auf der Hamburger Reeperbahn gemacht: Das Angebot der Hamburger "Pop-up Church" wurde von Partygängern und Passanten so gut angenommen, dass die frischen Handtücher ausgingen.
Bekannt aus der katholischen Kirche
In der Antike gehörten Fußwaschungen ganz selbstverständlich zur Körperhygiene, weil die Menschen mit Sandalen über staubige Straßen liefen, erklärt die Freiburger Theologin Anni Hentschel: "Es war ein alltägliches Ritual, wie heute das Duschen oder Zähneputzen."
Bekannt sind rituelle Fußwaschungen vor allem aus der katholischen Kirche. Der Papst und auch Priester waschen traditionell an Gründonnerstag anderen Gläubigen die Füße. Für Aufsehen sorgte Papst Franziskus im Jahr 2013, als er erstmals nicht Priestern in einer Kirche, sondern Häftlingen in einem Gefängnis die Füße wusch.
In unserem kulturellen Kontext fremd
Unter ihnen waren auch eine katholische Italienerin und eine muslimische Serbin, also zwei Frauen - ein weiterer Bruch mit der Tradition. Offiziell ist die Teilnahme von Frauen an der Fußwaschung in der katholischen Kirche erst seit 2016 erlaubt.
Im vergangenen Jahr war der Papst zur Fußwaschung im Gefängnis von Civitavecchia und erklärte laut "Vatican News", das sei Jesu Botschaft: "Ihr müsst euch gegenseitig dienen. Einer dient dem anderen, ohne Interesse."
Außerhalb der Kirchen gibt es Fußwaschungen allenfalls im medizinischen Bereich. "Wir können mit der Fußwaschung in unserem kulturellen Kontext nichts anfangen", sagt Anni Hentschel, Professorin für Neues Testament und Diakoniewissenschaft an der Evangelischen Hochschule Freiburg: "Dass mit der Fußwaschung eine Ehre verbunden sein könnte oder sogar ein gewisser Verwöhnfaktor, ist uns in der Regel völlig fremd."
Zärtliche Berührung, ein Liebesbeweis
In der Zeit Jesu hatten Häuser als Zeichen der Gastfreundschaft ein Fußwaschbecken, in dem sich die Gäste ihre Füße selbst säubern konnten. Gelegentlich wurde diese Aufgaben auch von Sklaven übernommen oder - als besondere Ehre - vom Gastgeber.
Wenn Kinder ihren Eltern, Gastgeber ihren Gästen, Schülerinnen und Schüler ihren Lehrern oder Geliebte ihrem Partner die Füße wuschen, sei das als angenehm, wertschätzend verstanden worden. "Es war ein Liebeserweis, verbunden mit einer zärtlichen Berührung", erklärt Hentschel. Vergleichbar sei dies heute etwa mit dem Schenken eines schönen Blumenstraußes.
Auch im kultischen Bereich spielte die rituelle Waschung einst eine wichtige Rolle, etwa vor dem Betreten des Heiligtums oder Tempels. Das Besondere an der biblischen Erzählung von der Fußwaschung im 13. Kapitel des Johannes-Evangeliums sei es, dass Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen habe und nicht umgekehrt. Die Bedeutung des Rituals zeige sich auch daran, dass es nicht vor dem Essen zur Reinigung stattfand, sondern während der gemeinsamen Mahlzeit. Es sei ein Zeichen der Wertschätzung, erklärt Hentschel, die zum Thema "Die Fußwaschungserzählung im Johannes-Evangelium" habilitiert hat.