Ramadan - Zeit der inneren Spiritualität und Gemeinschaft im Islam
"Eigentlich ist Ramadan die schönste Zeit im Jahr", findet Karim, der in Ostjerusalem lebt. An Ramadan feiern Muslime die Überlieferung des Korans, das Fasten gehört zu den Grundpflichten im Islam. Jeden Abend versammeln sich Gläubige nach Einbruch der Dunkelheit zum gemeinsamen Fastenbrechen, dem Iftar. Normalerweise leuchten in den Ost-Jerusalemer Straßen bunte Lichterketten, Passanten schlendern gut gelaunt durch die Läden, die noch bis spät abends geöffnet sind. Noch vor einem Jahr standen neben dem Damaskustor zahlreiche Zelte, in denen Familien und Freunde mitgebrachte Speisen teilten und ausgelassen feierten. Ramadan dient der inneren Einkehr ebenso wie der Gemeinschaft und gilt als fröhliches Fest.
"Dieses Jahr ist Ramadan eher traurig. Abends fühlt es sich an wie in einer Geisterstadt." Wegen des Krieges haben sich die Muslime in Ostjerusalem dazu entschieden, auf festliche Dekorationen und große Zelte zu verzichten. Iftar gibt es trotzdem, aber weniger festlich. Vor einem der Tore zur Al-Aksa-Moschee ist ein provisorischer Tisch aufgestellt, an dem Männer das traditionelle Mahl teilen. Auch die Al-Aksa-Moschee, eine der heiligsten Moscheen der Welt, veranstaltet täglich einen Iftar. Jeden Tag strömen Zehntausend Muslime auf den Tempelberg, um dort zu beten.
In Beit Safafa, südlich der Jerusalemer Altstadt, hat Iad Freunde und Bekannte zu einem Iftar eingeladen, darunter auch viele Jüdinnen und Juden. Auch nach dem Terroranschlag am 7. Oktober sind viele Jerusalemer entschlossen, sich nicht von Angst und Hass spalten zu lassen. In Gegenden wie Beit Safafa leben Palestinänser und jüdische Israelis seit Jahrzehnten friedlich Tür an Tür. An diesem Abend wird unter den Freunden viel gelacht. "Aber wir vermeiden es, über Politik zu diskutieren, wir wollen keinen Streit", erklärt einer der Gäste freundlich.
Purim - Fest der Einheit und des Überlebenswillens des jüdischen Volkes
Vor einer Woche haben jüdische Israelis ebenfalls ein bedeutendes Fest gefeiert. Purim erinnert an die Befreiung der jüdischen Gemeinschaft vor der drohenden Vernichtung im antiken Persien. Jedes Jahr wird die biblische Geschichte von Königin Ester und Mordechai aus der Megilla vorgelesen. Erklingt der Name des Bösewichts Haman, ertönt in der Synagoge ein ohrenbetäubender Lärm von Rasseln und Ratschen - besonders die Kinder nehmen die Aufgabe ernst, den Namen des Bösewichts mit ihren mitgebrachten Instrumenten zu übertönen.
Purim ist der Lieblingsfeiertag vieler Jerusalemer, denn die Rettung des jüdischen Volkes wird traditionell in der ganzen Stadt ausgelassen gefeiert - von streng-religiösen Ultraorthodoxen im Viertel Mea Shearim bis zu Hipstern im Szene-Viertel Nachlaot. Das bunte Fest erinnert an Karneval, denn sowohl Kinder als auch Erwachsene verkleiden sich. Jüdische Gelehrte raten Erwachsenen sogar dazu, an Purim so viel Alkohol zu trinken, bis sie Haman nicht mehr von Mordechai, einem der jüdischen Helden, unterscheiden können. Obwohl viele Jerusalemer dieses Jahr traditionell angestoßen haben, entschieden sich einige auch dazu, auf Feiern zu verzichten.
Selbst entlang der Adloyada-Parade, die mit Umzugswagen durch die Stadt zog, und an den Bühnen, an denen Menschen zu Musik tanzten, war der Einfluss des Krieges unübersehbar. Statt wie in den Jahren zuvor waren es dieses Mal keine palästinensischen Sicherheitsleute, die auf die betrunkenen Feiernden aufpassten. Aus Sicherheitsgründen wurden nur Israelis eingesetzt. Die Stadt hatte zudem darum gebeten, auf laute Feuerwerksraketen zu verzichten, um keine Angst zu verbreiten. Einige Soldaten kamen für Purim aus dem Gaza-Krieg, um mit ihrer Familie feiern zu können, so wie der 32-jährige Yaron: "Es ist traurig, aber wir müssen es machen. Das Leben muss weitergehen." Für die meisten Soldaten war es jedoch nicht möglich, Purim mit ihrer Familie zu feiern.
Ostern - Fest der Freude, des Mitgefühls und des Friedens
Zu Ostern ist Jerusalem üblicherweise ein Magnet für christliche Pilger aus aller Welt. Vor dem Krieg strömten jedes Jahr Zehntausende in die Stadt, um das Osterfest dort zu feiern, wo Jesus von den Toten auferstanden sein soll. Laut Angaben des israelischen Ministeriums für Tourismus sind die Tourismuszahlen des gesamten Landes im letzten Jahr jedoch um rund 80 Prozent eingebrochen. Besonders die vielen Jerusalemer Souvenirläden und Pilgerherbergen leiden an diesem Osterfest unter den ausbleibenden Touristen.
In der evangelischen Erlöserkirche, in der über 350 Menschen Platz finden, blieben an diesem Ostern viele Sitzbänke leer. Für den großen Ostergottesdienst wurden gerade einmal 40 Gesangsblätter von der Gemeinde gedruckt. Die Gläubigen versammeln sich seit dem 7. Oktober in einem Stuhlkreis hinter dem Altar statt wie sonst im Hauptschiff der Kirche. Der evangelische Propst Joachim Lenz erinnert sich an den ersten Gottesdienst nach den Anschlägen: "Unser dienstältestes Gemeindemitglied kam herein und sagte: ‘Hier saßen wir auch schon 1973 im Jom-Kippur-Krieg.’"
Das Kriegsthema durchzog auch Gottesdienste und Predigten mit einer Mischung aus Trauer und Hoffnung. Viele Gemeinden gedachten während der Kar- und Ostertage der Opfer des Nahostkriegs in ihren Fürbitten. Für Joachim Lenz war die Karfreitagsprozession "die Urform einer Friedensdemonstration". Die 29-jährige Maria sieht in der Auferstehung von Jesus etwas, das ihr in der aktuellen Zeit hilft, weiter an Frieden zu glauben: "Ostern zeigt uns, dass selbst in Zeiten von Krieg und Konflikten, wenn alles ausweglos erscheint, immer noch Hoffnung existiert."