Tanzverbot - ja oder nein?
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Manchem scheint das Tanzverbot an Karfreitag als veraltete Tradition. Wie Ethikexperte Alexander Maßmann die Sache sieht, beschreibt er in seiner aktuellen Kolumne.
Kolumne: evangelisch kontrovers
Tanzverbot am Karfreitag: Ja oder nein?
Am Karfreitag sind öffentliche Tanzveranstaltungen verboten. Darin sehen Kritiker:innen des Christentums aber eine Bevormundung durch die Kirchen. Was ist vom Tanzverbot zu halten?

Am Karfreitag verbieten die einzelnen Bundesländer öffentliche Tanzveranstaltungen. Der Karfreitag, an dem Christen an Jesu Kreuzestod gedenken, ist mit Ostersonntag und dem Weihnachtstag der höchste christliche Feiertag. Wer an dem Wochenende in die Disco will, muss praktisch den gesamten Karfreitag vom Ausflug ausnehmen, abgesehen von wenigen regionalen, eng begrenzten Ausnahmen. Private Feiern sind aber uneingeschränkt möglich.

Die Diskussion um das Tanzverbot wurde in früheren Jahren schon intensiver geführt, doch das Thema ist nach wie vor kontrovers. Man kann fragen, ob ein einzelner Tag im Jahr für Discobetreiber und Leute, die ausgehen wollen, tatsächlich so sehr ins Gewicht fällt. Ich vermute, dass die Anzahl der Discobesuche insgesamt kaum steigen würde, wenn das Tanzverbot fiele. Die Brisanz des Themas liegt woanders.

Worum es geht

Es dürfte also weniger um praktische Resultate gehen also ums Prinzip. Gesetzliche Regelungen für die gesamte Gesellschaft folgen dem traditionellen christlichen Verständnis des Karfreitag. Hinzu kommt, dass der Anteil der Deutschen, die Mitglieder der großen Kirchen sind, vor einem Jahr die Marke von 50 Prozent unterschritten hat. So kann man das Tanzverbot als einen Eingriff in die Rechte der Bürger:innen betrachten, das möglicherweise nicht von einer Mehrheit gedeckt ist.

Was ist also vom Tanzverbot zu halten? Haben die Kritiker:innen recht, die es abschaffen möchten? 

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Soll das Tanzverbot am Karfreitag bestehen bleiben?

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Die christliche Tradition 

In der deutschen Gesellschaft ist das Tanzverbot unverständlich geworden. Sein Sinn besteht traditionell darin, dass man an dem sogenannten "stillen Tag" des Todes Jesu gedenkt. Angesichts dessen wirken ausgelassene Feiern eher deplaziert. Tatsächlich ist unser kulturelles Erbe historisch stark im Christentum verwurzelt. So ist Jesu Kreuzestod in die übliche Bezeichnung des Tages eingegangen, denn der Name des Karfreitags stammt vom althochdeutschen Wort für Klage und Trauer. Die christliche Tradition zeigt sich auch darin, dass der Karfreitag überhaupt ein Feiertag ist. 

Doch Tradition an sich ist kein gutes Argument für das Tanzverbot, denn Traditionen müssen sich ändern können. Wenn Kirchen dagegen das Wort ergreifen, muss das vom Evangelium motiviert sein. Damit die Tradition nicht zum Traditionalismus verkommt, muss man sich den inneren Sinn des Tanzverbotes klarmachen. Dann fragt sich aber, ob auch diejenigen, die dem Christentum distanziert gegenüberstehen, einem Tanzverbot etwas abgewinnen könnten.

Weshalb das Tanzverbot noch sinnvoll sein könnte

Aus christlicher Sicht begeht man mit dem Tanzverbot, dass Gott selbst in seinem Sohn Jesus Christus menschliches Leid geteilt hat. Doch die Bewahrung des Karfreitags als eines stillen Tages ist auch ein Angebot an diejenigen, die nicht an Jesus Christus glauben. Denn auch für sie stellt sich die Frage, ob sie sich der dunklen Seite des Lebens bewusst stellen. Innezuhalten und sich vereinzelt ein Vergnügen zu versagen, ist gut für die Gesellschaft: Das ist wirklichkeitsgemäß, denn zum menschlichen Leben gehören nun einmal Leid und Tod. Wir neigen dazu, diese dunklen Seiten zu verdrängen, und so bietet der Karfreitag auch die Gelegenheit, sich ehrlich zu fragen, wie wir mit diesen unangenehmen Dingen umgehen.

Spielverderber?

In der öffentlichen Debatte ist das Gedenken an Leid und Sterblichkeit aber nie ein beliebtes "Produkt". Wer die Gesellschaft von etwas überzeugen will, hat immer die besten Chancen mit einer optimistischen, fröhlichen Präsentation (außer, es geht um handfeste Skandale). Das ist einfach eine Tücke unserer Aufmerksamkeits-Ökonomie, die denjenigen einen Nachteil beschert, deren Anliegen im nachdenklichen bis trauerbesetzten Bereich liegen. 

Die Botschaft von Leid und Sterblichkeit ist nicht sexy und will es auch nicht sein. Doch einen Werbe-Jingle schreibt man in Dur, nicht in Moll. Auf dem Marktplatz der Ideen kann der Einsatz für das Tanzverbot dann leicht sauertöpfisch oder spielverderberisch wirken – als ob Christ:innen den Menschen das Vergnügen nicht gönnen würden. Sobald dieser Eindruck entsteht, haben die Kirchen verloren.

Der öffentliche Marktplatz der Ideen

Außerdem geht es in der Debatte um den öffentlichen Marktplatz der Ideen selbst. Sehr viele Menschen, die den Kirchen distanziert gegenüberstehen, meinen, dass das Christentum sie in der Frage des Tanzverbotes vereinnahmt oder bevormundet. Mit dem Hinweis auf die Bedeutung Jesu Christi kann man gesellschaftlich keine Regel begründen, die für Nicht-Christ:innen einen Eingriff in ihre Grundrechte bedeutet. 

Doch wenn die traditionell christliche Sicht des Karfreitags auf dem Marktplatz der Ideen keine Mehrheit erhält, dürfen Kirchen ihr Anliegen nicht abseits der öffentlichen Debatte durchsetzen. Sollte das Tanzverbot nur durch den traditionellen Einfluss des Christentums oder durch juristische Tricks bestehen bleiben, entsteht der Eindruck, die Kirchen seien autoritär oder verschlagen. Das können die Kirchen um des Evangeliums willen nicht riskieren.

Fazit

Für die christlichen Kirchen steht in der Debatte ums Tanzverbot viel auf dem Spiel – mehr noch als um die praktische Regelung selbst geht es besonders um das Erscheinungsbild ihrer Botschaft. Das Tanzverbot erweckt leicht den Anschein, dass Christ:innen anderen das Vergnügen nicht gönnen und dass es sie kalt lässt, wenn sie mit traditionellen Regeln viele Menschen gegen sich aufbringen. Dass Christen sich für ein Tanzverbot am Karfreitag aussprechen, ist an sich nachvollziehbar, doch es wäre verfänglich, vehement auf dieser Position zu beharren. Mit Argumenten allein wird man das Tanzverbot aber kaum mehr aufrecht erhalten können. Andererseits kann man den Karfreitag aber auch ohne Tanzverbot sinnvoll begehen, zumal eine solche Regelung in anderen Ländern unbekannt ist. In dieser Frage sollten sich Christen in Deutschland nicht verkämpfen. Vermutlich wird der Karfreitag auch ohne Tanzverbot ein "stiller Tag" bleiben.