Mit dem Genom-Editing lässt sich das biologische Erbgut von Bakterien, Pflanzen, Tieren und auch von Menschen verändern. Das ermöglicht eine neue Technologie namens CRISPR-Cas9. Sie macht Eingriffe ins Genom so präzise und günstig, wie es sich die Forschung noch vor etwa fünfzehn Jahren nicht vorstellen konnte, obwohl die Gen-Manipulation an sich schon deutlich älter ist. Noch für dieses Jahr wird die erste Zulassung eines Medikaments erwartet, das das Erbgut von Kindern und Erwachsenen mit CRISPR modifiziert.
Von Eingriffen am menschlichen Embryo riet dagegen ein erster großer Kongress zum Genom-Editing 2015 ab. Bereits auf dem zweiten Kongress dieser Art gab ein chinesischer Forscher aber 2018 bekannt, dass er mehrere Kinder genetisch verändert hatte, als sie noch Embryos waren. Solche spektakulären Ereignisse hat es diese Woche auf dem dritten Kongress in London nicht gegeben.
Die meisten Forscher:innen, Ethiker:innen und Jurist:innen sind sich einig, dass die Technologie im Augenblick noch nicht zuverlässig genug ist, um Embryos damit genetisch zu verändern, die dann heranwachsen. Auf längere Sicht fordern das allerdings manche. Worum geht es genau – und wie wäre die genetische Veränderung von menschlichen Embryos zu bewerten, wenn das Verfahren sicher und fehlerfrei durchgeführt werden kann?
Konservativere Verfahren
Im Augenblick werden in klinischen Tests über 100 Verfahren getestet, die das Genom-Editing zur Linderung oder Heilung verschiedener Erbkrankheiten verwenden, die sich nicht anderweitig therapieren lassen. Hier werden die Gene in den Zellen von Kindern oder Erwachsenen modifiziert. Das ist ein konservativeres Verfahren als die Modifikation von Embryos. Ein Medikament gegen die Sichelzellkrankheit scheint vor der Zulassung zu stehen, die sehr vielen Menschen in afrikanischen Ländern, in den USA und Großbritannien große Beschwerden bereitet, aber auch in Deutschland. Vermutlich dürften Medikamente gegen Hämophilie bzw. die Bluterkrankheit ebenfalls nicht lange auf sich warten lassen. Es wird auch an Therapien für PKU und andere genetische Erkrankungen gearbeitet.
Alexander Maßmann wurde im Bereich evangelische Ethik und Dogmatik an der Universität Heidelberg promoviert. Seine Doktorarbeit wurde mit dem Lautenschlaeger Award for Theological Promise ausgezeichnet. Publikationen in den Bereichen theologische Ethik (zum Beispiel Bioethik) und Theologie und Naturwissenschaften, Lehre an den Universitäten Heidelberg und Cambridge (GB).
Kosten
Solche Therapien werden in der Regel von den Bürger:innen begrüßt. Tatsächlich sind die Gene nicht der Kern der Person, der an sich gewissermaßen sakral wäre und gar nicht angetastet werden dürfte. Allerdings kann eine einzelne Therapie dieser Art Kosten von einer Million Euro und mehr verursachen. Für die europäischen Gesundheitssysteme wären sie selbst dann noch attraktiv, zumal hohe Kosten ausfallen würden, die etwa die Hämophilie gegenwärtig mit sich bringt. Doch für Menschen in ärmeren Ländern sind diese Behandlungen kaum bezahlbar. Die Sichelzellkrankheit betrifft zum Beispiel gerade in den ärmeren afrikanischen Ländern deutlich mehr Menschen als im reicheren Westen. Das spricht nicht gegen die Entwicklung dieser Therapien, hinterlässt aber einen bitteren Beigeschmack.
Embryos genetisch modifizieren?
Zusätzlich zu den Therapien für Kinder und Erwachsene ließen sich wesentlich mehr Krankheiten auf technisch relativ simple Weise verhindern, wenn man einen Eingriff bereits am Embryo vornähme. Es geht hier also um etwas anderes als die reine Forschung an menschlichen Embryos. Man würde den Embryo, der die genetische Veranlagung zur Krankheit hat, genetisch verändern, um ihn danach der Mutter einzupflanzen – wie bei der In-vitro-Fertilisation, aber mit zusätzlicher genetischer Modifikation. Die Modifikation von Embryos aus medizinischen Gründen würde zwar nichts am Kostenproblem ändern. Doch so würden sich schwere Krankheiten wie Huntington Chorea, Muskeldystrophie, zystische Fibrose (Mukoviszidose) und andere schwere Krankheiten komplett vermeiden lassen. Spätere Eingriffe sind gegen diese Krankheiten weitestgehend machtlos.
Eingriffe am Embryo verstoßen gegenwärtig in fast allen Ländern gegen Gesetze oder Regularien, auch in Deutschland. Doch die Modifikation von Embryos hätte nicht nur bei der Krankheits-Prävention weitreichende Konsequenzen. Käme es zu einem Fehler beim Eingriff oder zu unvorhergesehenen genetischen Nebeneffekten, wären die Folgen hier ebenfalls gravierender. So oder so ist es ein wesentlicher Unterschied, ob man eine begrenzte Änderung an einem bestehenden Organismus vornimmt oder den Bauplan von Anfang an ändert. So würden außerdem Änderungen am Embryo auch an dessen Nachkommen vererbt. Werden die Gene dagegen bei Kindern oder Erwachsenen modifiziert, geben sie diesen medizinischen Effekt nicht an ihre zukünftigen Kinder weiter, die es dann möglicherweise wieder mit dem alten "Problem-Gen" zu tun bekommen.
Alternative zur Modifikation von Embryos
Vermutlich dürfte die Forschung in einigen Jahren technische Komplikationen unter Kontrolle bringen. Dennoch kann man technische Probleme oder menschliches Versagen bei der Modifikation von Embryos nie ganz ausschließen. Ohnehin einfacher und günstiger, aber auch weniger riskant ist da eine Option, die bislang weniger Aufmerksamkeit erhält. Das ist die Prä-Implantations-Diagnostik (PID), die seit 2011 in Deutschland legal ist. Befürchtet ein Paar eine schwere genetische Belastung des Kindes, etwa aufgrund ihrer Familiengeschichte, können Embryos genetisch untersucht werden, und nur derjenige wird der Mutter eingepflanzt, der die entsprechende Mutation nicht aufweist.
PID wird schon länger und auf breiterer Ebene z.B. auf Zypern praktiziert, wo außergewöhnlich viele Menschen eine Veranlagung zu einer schweren Krankheit des Blutbilds haben (Beta-Thalassämie). Obwohl bei der PID eine höhere Anzahl von Embryos verloren geht als bei der natürlichen Schwangerschaft, lässt sie sich durch die Vermeidung schwerer Krankheiten rechtfertigen. In Deutschland wird die PID relativ selten durchgeführt (auf etwa 190 In-vitro-Fertilisationen kommt eine PID).
Ausblick
Meines Erachtens besteht keine Notwendigkeit, genetische Eingriffe an menschlichen Embryos zu legalisieren. Am bisherigen Verbot ist auch gut, dass die Tür zu "Enhancements" damit verschlossen bleibt, also zu nicht-medizinischen Wunschmerkmalen. Im Hintergrund steht dabei die Möglichkeit, möglicherweise nicht-medizinische Eigenschaften des Kindes wie Athletik oder Gedächtnisleistung zu beeinflussen. Zur Diskussion solcher Wunschmerkmale bräuchte es eigentlich eine eigene Kolumne. Doch insgesamt geht es auch darum, wie wir über unsere Leiblichkeit denken. Anstrengungen gegen schwere Krankheiten sind legitim und wichtig.
Doch die Hoffnung, dass allgemein ein Leben mit größeren körperlichen Möglichkeiten ein besseres Leben ist, täuscht. Mehr ist nicht gleich besser. Beleg sind die zahlreichen Menschen mit Behinderung, die trotz merklicher Einschränkungen sehr zufrieden mit ihrer Lebensqualität sind. Die neuen Möglichkeiten des Genom-Editing sollten uns nicht zu Wunschträumen über immer neue körperliche Möglichkeiten verführen, in denen das wirkliche Leben aus dem Blick verschwindet, das aber in seinen Begrenzungen ein gutes Leben bleibt.