Ein chinesischer Forscher hatte zuvor in einem bei Youtube verbreiteten Video erklärt, mit Hilfe der CRISPR-cas9-Methode Erbgut von Embryonen so verändert zu haben, dass sie immun gegen das HI-Virus seien und somit nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge mit dem manipulierten Erbgut sollen vor einigen Wochen geboren sein. Die Forschung des Chinesen ist jedoch noch nicht bestätigt worden.
Grundlagenforschung weit entfernt vom Einsatz beim Menschen
Dabrock erklärte weiter: "Ob es stimmt oder nicht: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind solche Versuche und auch Ankündigungen aufs Schärfste zu kritisieren." Laut nahezu einhelliger Einschätzung sei die Grundlagenforschung noch weit entfernt vom Einsatz beim Menschen. Die Neben- und Spätfolgen seien unabsehbar. Dabrock ist Theologe und Ethiker an der Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzender des Deutschen Ethikrates. Der Ethikrat arbeite derzeit an einer umfangreichen Stellungnahme zu Genversuchen an Menschen, die im Frühjahr 2019 erscheinen soll.
Die Menschheit solle ein Mitspracherecht haben bei derlei Versuchen, betonte Dabrock. Es handele sich um eine Eingriff in die biologische Grundlage des Menschen, der nicht nur einen Einzelnen, sondern potenziell alle seine Nachkommen betreffe. "Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche", schreibt Dabrock.
Unverantwortliche Menschenversuche
Auch die Medizinethikerin Christiane Woopen, die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates ist, kritisierte die chinesischen Forscher. Ein solcher Eingriff in das embryonale Genom verstoße im Rahmen der Fortpflanzung gegen internationale Menschenrechtsdokumente, schrieb sie in einer Stellungnahme, die am Montag in Köln veröffentlicht wurde. "Die chinesischen Forscher haben Menschenrechte verletzt und der Vertrauenswürdigkeit der Wissenschaft schweren Schaden zugefügt. Das sollte die internationale Gemeinschaft nicht dulden", hieß es.
Auch unabhängig von der Echtheit der chinesischen Forschungsergebnisse haben Forscher medizinisch begründete Zweifel an der Notwendigkeit solcher Forschung. "Für mich persönlich gibt es keine Indikation, die einen genetischen Eingriff in die Keimbahn rechtfertigt", erklärte Toni Cathomen,
Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie am Universitätsklinikum Freiburg, in einer Stellungnahme, die das Science Media Centre in Köln veröffentlichte. "Eltern, die Träger von Erbkrankheiten sind, kann bereits heute mit herkömmlichen Mitteln, der sogenannten Präimplantationsdiagnostik, geholfen werden. Auch für HIV-Positive gibt es konventionelle Möglichkeiten, die es den Eltern erlauben, ein HIV-negatives Kind zur Welt zu bringen."