Schon die Ouvertüre verheißt nichts Gutes, selbst wenn die Bilder mit den heiteren Klängen des Walzers "An der schönen blauen Donau" unterlegt sind: Die künstlerisch anmutende Installation ist ein Todesurteil. Die zweite Szene ist der pure Alptraum: Eine Frau kommt heim, will zu Bett gehen, überzeugt sich noch mal, dass die Haustür verschlossen ist; aber der Feind ist längst im Haus. Als sie am nächsten Morgen aufwacht, entdeckt sie ein Polaroid-Foto, das sie im Schlaf zeigt. Darunter steht "Du bist mein".
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
All’ das hat sich, wie sich kurz drauf zeigt, vor einem Jahr zugetragen, und wer weiß, welches Schicksal Sarah Rothbauer erwartet hätte, wenn sie nicht beim Fluchtversuch gestorben wäre. Ein Landstreicher hat ihre Leiche auf einem verlassenen Bauernhof entdeckt, und selbstverständlich verdächtigen Ellen Lucas (Ulrike Kriener) und ihr Team als erstes den Ehemann.
Hinrich Rothbauer (Christian Erdmann) wähnt Sarah indes in ihrer slowenischen Heimat: Sie habe ihn vor einem Jahr verlassen, ihre Familie sei ohnehin stets gegen die Heirat gewesen. An der Leiche finden sich jedoch Hinweise auf häusliche Gewalt; der Fall scheint klar. Eine Freundin des Opfers beschuldigt die Polizei zudem, sie sei ihrer Vermisstenanzeige damals nicht nachgegangen; vermutlich, weil es sich bei Sarah "nur" um eine Roma gehandelt habe.
Inhaltlich ist "Du bist mein" bis zu diesem Zeitpunkt ein gewöhnlicher Krimi. Selbst wenn der Gatte nicht der Mörder ist, weil das zu einfach wäre: Sonderlich originell klingt das Drehbuch, an dem neben Markus Ziegler und Peter Probst auch noch eine dritte Person beteiligt war, die sich hinter dem Pseudonym "Alan Smithee" verbirgt, zunächst nicht.
Regie führte allerdings Uwe Janson, und deshalb lohnt es sich buchstäblich, genau hinzuschauen: Die Bildgestaltung des 33. Films aus der vor 20 Jahren gestarteten ZDF-Reihe ist außergewöhnlich. Schon die gleichzeitig entstandene und vor einem Jahr ausgestrahlte Episode "Goldrausch" war optisch interessant, weil Janson und Kamerafrau Birgit Bebe Dierken den Bildern jede Unbeschwertheit ausgetrieben haben. Das gilt diesmal erst recht: Die Farben sind dunkel und schwer. Auch Szenen- und Kostümbild haben fröhliche Grün- oder Rottöne tunlichst vermieden. Die Ausstattung (Gabi Pohl) ist ohnehin von sichtbarer Sorgfalt im Detail geprägt, weil gleich mehrere Schauplätze liebevoll zusammengestellte Sammelsurien enthalten.
Auch die Handlung entwickelt sich in eine überraschende Richtung, selbst wenn ein versiertes Krimipublikum trotz der diversen Ablenkungsmanöver allzu früh ahnen dürfte, wer in dieser Geschichte der Schurke ist. Zunächst ist es allerdings nur nervig, dass Lucas-Mitarbeiterin Betty Sedlacek (Claudia Kottal) ständig SMS-Nachrichten von ihrem Ex-Freund erhält: Der Mann kommt nicht darüber hinweg, dass sie ihn vor die Tür gesetzt hat.
Was wie ein unbeholfener und eher lästiger Versuch wirkt, die Nebenrolle aufzuwerten, entpuppt sich als clevere Idee, die den Film in eine neue Richtung treibt. Als sich Betty auf ein Abenteuer mit einem Kollegen einlässt und eines Morgens nicht zum Dienst erscheint, rückt plötzlich Polizist Wenting (Matthias Weidenhöfer) ins Visier der Ermittlungen, zumal er damals daran beteiligt war, dass der Vermisstenanzeige nicht nachgegangen worden ist: Auch Betty hat in ihrem Spiegelschrank ein Polaroid mit der Notiz "Du bist mein" gefunden.
Der gesellschaftspolitische Anspruch des Films ist nicht zu übersehen und wird mitunter fast zuviel: Ein Zeuge kann sich nur mit Gebärdensprache verständigen, die neue Rechtsmedizinerin (Sheri Hagen) hat afrikanische Wurzeln, die Vorfahren des brillanten neuen Mitarbeiters (Lucas Janson) für die digitale Hintergrundrecherche kommen aus Indien.
Ganz zu schweigen von der unangenehmen toxischen Männlichkeit, die sich nicht nur in Gestalt des Täters äußert: Team-Mitglied Werner Fitz (Sebastian Schwarz), als Figur ohnehin überzeichnet und entsprechend nervig, entpuppt sich zu allem Überfluss als Rassist, darf aber immerhin auch eine fürsorgliche Seite zeigen. Das hätte übertrieben oder allzu dick aufgetragen wirken können, aber Janson hat die verschiedenen Elemente gut in den Fluss der Handlung integriert.
Dennoch ist es in erster Linie die ausgezeichnete Bildgestaltung, die "Du bist mein" aus dem Krimialltag herausragen lässt, und das nicht nur wegen der verschiedenen Verfremdungen, die mal eine Narkose, mal einen Rausch illustrieren; auch die mit Bedacht gewählten Blickwinkel der Kamera sorgen dafür, dass sich viel in die Aufnahmen hineininterpretieren lässt.