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5. Januar, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Restschuld"
Inkasso-Unternehmen haben keinen besonders guten Ruf, was nicht weiter verwundert: Wer Schulden eintreibt, ist kein gern gesehener Gast. Ihr miserables Image verdankt die Branche allerdings auch dem Fernsehen.

In Krimis werden die Mitarbeiter gern als grobschlächtige Zeitgenossen dargestellt, die nur gebrochen Deutsch sprechen, aber dafür umso besser Finger brechen können. Der "Tatort" schildert, wie solche Firmen wirklich arbeiten; und vor allem, wie sehr diese Branche floriert. Das Schlussbild des Films zeigt ein Plakat mit dem Slogan "Leben willst du jetzt. Zahlen kannst du später." Ganz gleich, ob beim Autokauf oder im Handel mit Elektrogeräten: Stets suggeriert die Werbung, dass sich dank Ratenzahlung alle alles leisten können. Wer nicht genug auf dem Konto hat, nimmt eben einen Kredit auf. Wenn der nicht getilgt wird, beauftragt die Bank irgendwann eine Inkasso-Firma; oder sie verkauft ihr den Kredit kurzerhand. 

Wie so viele Krimis aus Köln ist auch "Restschuld" in erster Linie ein Drama. In ihrem ersten Drehbuch für Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) beschreibt Karlotta Ehrenberg mehrere Fälle von Menschen, die zum Teil unverschuldet in die Schuldenfalle geraten sind: Ein Ehepaar, er Lehrer, sie Geigerin im Rundfunkorchester, hat sich einst ein Haus gekauft und kann nun, da beide berufsunfähig sind, den Kredit nicht mehr tilgen. Eine Frau hat für den Gatten gebürgt, als er Geld für ein Startup-Unternehmen brauchte. Irgendwann hat er sie sitzen gelassen, nun ist seine Firma pleite, und weil er Privatinsolvenz angemeldet hat, muss sie mit den Schulden allein klarkommen. Das dritte Schicksal schließlich dürfte das verbreitetste sein: Ein Physiotherapeut (Ben Münchow) hat in jungen Jahren schlicht mehr eingekauft, als er bezahlen konnte. Sie alle geraten prompt in Verdacht, als der Mitarbeiter eines Inkasso-Betriebs entführt wird. Ein riesiger Blutfleck auf der Straße lässt das Schlimmste befürchten.

Spannung in Form von Nervenkitzel kommt in "Restschuld", Fall Nummer 92 für Ballauf und Schenk, zwar kaum auf, aber das war bei einem Krimi von Claudia Garde nicht zu erwarten. Die erfahrene Regisseurin hat zuletzt unter anderem "Bonn – Alte Freunde, neue Feinde" (2023) gedreht, eine Fünfzigerjahre-Serie, die geschickt Familiendrama und Zeitgeschichte verknüpfte. Gleichfalls typisch für ihre Arbeit war das aufwändig gestaltete und gut gespielte Porträt "Ottilie von Faber-Castell"; der 2019 ausgestrahlte ARD-Zweiteiler über die Bleistiftfabrikantin war kein steifer Historienfilm und mit 180 Minuten nicht zu lang. Auch in ihren Sonntagskrimis nimmt sich Garde stets viel Zeit für die Figuren; davon profitieren auch bei ihrem zweiten "Tatort" aus Köln nach einem bedrückenden Drama über Kindesmisshandlung ("Kindstod", 2001) nicht zuletzt die Mitwirkenden. 

Das gilt vor allem für Roman Knižka und Tilla Kratochwil) als Ehepaar, dem die Zwangsversteigerung des Eigenheims droht, sowie für Katharina Marie Schubert als Steuerfachangestellte Schreiter: Weil sich Monika Lehnen zu sehr schämt, die Hilfe der Tafel in Anspruch zu nehmen, arbeitet sie dort ehrenamtlich und steckt heimlich Lebensmittel in die Tasche. Stefanie Schreiter schläft beim Vater auf dem Sofa und muss um ihre berufliche Zukunft fürchten, als ein Gerichtsvollzieher ihrem Arbeitgeber den Bescheid zur Lohnpfändung zustellt. Den Betroffenen sei das Leben vom Entführungsopfer "zur Hölle gemacht" worden, wie es in dem Film heißt, weil der Mann sie permanent mit Nachrichten "bombardiert" habe; er war nicht ohne Grund äußerst erfolgreich in seinem Job.

Leute wie er bescheren dem Unternehmen jährlich eine halbe Milliarde Umsatz.
Typisch für die Krimis aus Köln sind neben der thematischen Relevanz auch die oftmals unterschiedlichen Positionen der Kommissare. In diesem Fall hat der kinderlose Single Ballauf wenig Verständnis dafür, dass Menschen mehr Geld ausgeben, als sie haben. Schenk, Familienvater und trotz seiner Vorliebe für ausgefallene Automobile deutlich bodenständiger, klärt den Kollegen auf, dass man selbst als Beamter nicht gegen eine Abwärtsspirale gefeit ist, wenn sich zum Beispiel die Zinsen anders entwickeln als prognostiziert. Ohnehin stecken längst auch Menschen aus dem Mittelstand in der Schuldenfalle. Garde und Kamerafrau Lena Katharina Krause haben den Film entsprechend bebildert: Bei Kostüm und Ausstattung überwiegen dunkle Farbtöne, selbst im Revier ist die Atmosphäre eher trist, und auch die wenig melodiöse Musik (Florian Tessloff) verbreitet keinerlei Freude.