Am Rand des Fechenheimer Waldes im Osten von Frankfurt am Main verkünden Plakate "Baumrecht vor Baurecht" und "Die Würde des Baumes ist unantastbar". Angetastet wird seit dem 18. Januar nun ein 230 Meter langes und 70 bis 140 Meter breites Waldstück. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte einen Eilantrag gegen die Rodung abgelehnt. Ab 5 Uhr ziehen starke Polizeikräfte auf, darunter auch Reiterinnen. Ihnen gegenüber finden sich zunächst nur einzelne Gegner der Rodung und des Autobahnbaus ein.
In dem Waldstück, das für den seit Jahren geplanten Bau eines 2,2 Kilometer langen Verbindungsstücks zwischen der A66 und der A661 durch den Stadtteil Riederwald weichen soll, haben Besetzer ein Dutzend Baumhäuser gebaut. Teils sind sie in wenigen Metern Höhe an die schlanken Stämme gebunden, teils in Baumwipfeln in ungefähr 15 Metern Höhe. "Das ist gefährlich", kommentiert ein Polizist.
Die Polizei bemüht sich zuvorkommend um Transparenz. Pressevertreter und parlamentarische Beobachter dürfen durch die schlammigen Wege stapfen und die Baumhäuser in Augenschein nehmen. Nur an einem zeigen sich zwei Besetzer. Bauholz und Sperrmüll liegen herum.
Sperren aus Holzprügeln, Gruben im Weg und wie Spieße schräg aufgerichtete Stämme sollen das Eindringen von Fahrzeugen erschweren. Ein einzelner Aktivist auf einem Holzpodest ruft, warum er nicht weicht: Der artenreiche Wald müsse erhalten bleiben, weil nur mit einem Stopp des Autobahnbaus die Erderhitzung verhindert werden könne.
Erst einzelne, dann ein Dutzend Aktivisten
Erst als die Polizisten beginnen, mit einer Hebebühne sich den Weg zu den ersten Baumhäusern durch das Geäst freizusägen, zeigen sich deren Bewohner. Einer hangelt sich in Klettermontur auf ein Seil, das vom Baumhaus weg an mehreren Bäumen vorbei zu einem dünnen, hohen Stamm führt, und harrt unter dem Seil hängend aus.
Derweil rollt Lastwagen um Lastwagen heran. Die Autobahnauffahrt nebenan wird verbreitert, um eine Fahrstraße für die Baufahrzeuge zu schaffen. Eine Planierraupe und ein Harvester zum Fällen der Bäume stehen bereit. An einer Waldecke versammeln sich erst einzelne, dann ein Dutzend Rodungsgegner, an einer anderen Ecke rund 20. Sie skandieren im Chor in den Wald: "Du bist nicht allein!" Drei mit Perücken und rosa Klamotten machen Stimmung mit Trommeln.
Die Lage bleibt ruhig
Die ruhig arbeitende Polizei behindert dies nicht. Ein Besetzer, der sich in Seilen verheddert habe, sei am Morgen freiwillig gegangen, sagt ein Sprecher. Die Beamten tragen im Laufe des Tages mehrere Besetzer einzeln aus dem Wald, sie schätzen deren Zahl auf insgesamt rund 20.
Auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein und Innenminister Peter Beuth (beide CDU) besichtigen am Vormittag den Beginn der Räumung. Zwei Baumhäuser sind inzwischen von Kletterern der Polizei demontiert. "Ich danke den Beamten, dass sie in politisch aufgeheizter Stimmung den Rechtsstaat durchsetzen", sagt Rhein. Die Baubeschlüsse seien demokratisch gefasst und von Gerichten bestätigt worden. Die Besetzer gefährdeten sich selbst und die Polizisten. "Ich bin sehr zufrieden, dass das wichtige Projekt endlich losgeht." Der Bau der Autobahnverbindung werde viele Bürger im Frankfurter Osten vom Autoverkehr vor der Haustür entlasten.
Am Nachmittag berichtet die Polizei von einer bedrohlichen Situation: Ein Baumbesetzer habe das Sicherungsseil eines Polizeikletterers ergreifen wollen. Einsatzkräfte am Boden hätten mit einer Luftdruckwaffe drohen müssen und ihn davon abhalten können, der Besetzer und der Kollege seien dann sicher abgeseilt worden. Gleichzeitig mit dem Abbau der Baumhäuser werden die ersten Bäume am Rand des Fechenheimer Waldes gefällt.