Der Rechtsstaat bewähre sich gerade dadurch, dass er kein Sonderstrafrecht für Aktivistinnen und Aktivisten brauche, sondern das geltende Recht funktioniere, erklärte die Leipziger Strafrechtsprofessorin Katrin Höffler in ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Parlamentsausschuss. Clemens Arzt, Experte für Polizei- und Versammlungsrecht, warnte davor, Proteste von Gruppen wie der "Letzten Generation" als radikal zu brandmarken und aus dem Schutzbereich des Versammlungsrechts zu verdrängen. Auch der Deutsche Anwaltverein und die Gewerkschaft der Polizei lehnten Strafrechtsverschärfungen ab.
Die Expertinnen und Expertinnen waren aufgefordert, einen Antrag der Union zu bewerten, der Konsequenzen aus den umstrittenen Protesten der Klimabewegung "Letzte Generation" verlangt. CDU und CSU fordern darin, "Bürgerinnen und Bürger besser vor mutwilligen Blockaden öffentlicher Straßen zu schützen". Konkret verlangt die Oppositionsfraktion unter anderem, die Strafen bei Tatbeständen wie dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr oder der Behinderung von hilfeleistenden Personen anzuheben oder mit Mindeststrafen zu belegen.
Von der Union berufene Sachverständige von der Opfervereinigung "Weißer Ring" und von der Deutschen Polizeigewerkschaft unterstützten den Antrag. Die hohe Inanspruchnahme der Polizei und anderer Einsatzkräfte seien unverantwortlich und schadeten der inneren Sicherheit, sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Sabine Schumann. Es könne nicht sein, dass eine Gruppe mit einer noch so anerkennungswürdigen Haltung wie dem Klimaschutz Straftaten rechtfertige, sagte Patrick Liesching, Bundesvorsitzender vom "Weißen Ring", der sich für die Interessen von Kriminalitätsopfern einsetzt.
Auch der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Sven Hübner, verwies auf die hohe Belastung durch radikale Formen bei Klimaprotesten. Allein in Berlin seien im Zusammenhang mit der Bewegung "Letzte Generation" bislang 233.000 Einsatzstunden geleistet, 756 Tatverdächtige festgestellt und 2700 Strafanzeigen gestellt worden.
Politischer Dialog statt Strafrecht
Er lehnte eine Strafrechtsverschärfung aber ab. Es bestehe keine Gesetzeslücke, sagte er mit Verweis auf bereits ergangene Urteile gegen Aktivisten. Der geforderte bessere Schutz vor Blockaden lasse sich durch eine Anpassung der Strafrechtsnormen nicht erreichen.
Ähnlich argumentierten auch andere von SPD, Grünen, FDP und Linken berufene Sachverständige. Der frühere Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sagte, er halte das Anliegen des Antrags für plausibel. Er sei aber nicht geeignet, das Ziel zu verwirklichen.
Anwaltsvertreter warnten davor, mit Strafrecht an einer Stelle zu reagieren, wo eher politischer Dialog geboten sei. Der Antrag ziele auf eine bestimmte politische Bewegung ab, sagte Stefan Conen vom Deutschen Anwaltverein. Er könne "nur abraten von hektischer Gesetzgebung". Adrian Furtwängler vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein sprach von einer "gefährlichen Einzelfallgesetzgebung", der darauf abziele, eine bestimmte politische Bewegung härter zu bestrafen.
Diesen Vorwurf wiesen Vertreter der Unionsfraktion im Ausschuss zurück. Dass ihr Antrag bei der abschließenden Beratung im Bundestagsplenum eine Mehrheit erhält, ist aufgrund der Mehrheit der Ampel-Fraktionen unwahrscheinlich.