Am 8. November sprach Aimée van Baalen vor der Synode der EKD, die in Magdeburg tagte. Die junge Frau war eingeladen worden, weil sie sich für den Klimaschutz einsetzt. Sie gehört zur Bewegung "Last Generation". Ihre Rede war leidenschaftlich, bot den Synodalen und all denen, die von ihnen vertreten werden, eine Menge Anknüpfungspunkte. Ich empfehle allen, die diese kurze Rede bislang nicht gehört haben, dies unbedingt zu tun, bevor Sie weiterlesen.
Die empörten Reaktionen folgten prompt. Man gebe hier einer Bewegung eine Plattform, die Menschenleben in Gefahr brächte, Kunst schände und so weiter. Traurigerweise kamen solche Beiträge auch aus kirchlichen Kreisen selbst. Diese Haltung aber sollte für jeden Menschen, der sich ernsthaft in der Nachfolge Jesu Christi sieht, ausgeschlossen sein. Wie oft hören wir Predigten, in denen die offene Haltung Jesu gepriesen wird, mit der er auf die Ausgeschlossenen und Verachteten zuging! Wie gern wird bereits Kindern erzählt, dass Jesus den kleinen Zachäus vom Baum holte, und dass obwohl er ein fieser Zöllner war! Aber hier liegt das Problem: Mit dem Zöllner identifiziert man sich so schön, weil man nicht mehr weiß, was das eigentlich ist.
Wie kann man einerseits die Offenheit der eigenen Religion loben und gleichzeitig fordern, mit bestimmten Leuten nicht zu reden, die sich – und das ist entscheidend – absolut gesprächsbereit zeigen? Leider ist diese Haltung in der Kirche überhaupt nicht neu. Bereits der Evangelist Lukas musste das Gleichnis vom Vater mit den zwei Söhnen (Lukas 15,11-32) aufschreiben, in der sich einer aufregt, weil sich sein Vater seinem Bruder zuwendet, obwohl der sich doch so schrecklich verhalten hat. "Freu dich doch!", sagt ihm der Vater. Es gab schon immer Christinnen und Christen, die Probleme mit Jesu und mit Gottes Barmherzigkeit hatten. Es gibt viele Bibelstellen, die davon zeugen.
Ich kann verstehen, wenn Menschen Angst davor haben, sich der Bewältigung der Klimakrise zu stellen, weil sie nicht erkennen können, wie man die Katastrophe abwenden kann. Auch Christinnen und Christen kennen die Verzagtheit und den Zweifel. Aber wir sind aufgerufen, mutig zu sein in der Nachfolge. Wer das gerade nicht schafft, hole sich Beistand von denen, die noch Zuversicht und Kraft haben – wie zum Beispiel Aimée van Baalen.
Mehrere wütende Kommentare kamen gar mit der Drohung einher, jetzt aus der Kirche auszutreten. Wer sich darüber aufregt, dass die Kirche mit Menschen redet, die ein wichtiges Anliegen haben, hat die christliche Gemeinschaft bereits verlassen. Das bedeutet freilich nicht, dass man nicht zurückkehren könne, aber dazu bräuchte es eben eine offene Haltung. Zachäus war kein netter Mensch, er beutete Menschen aus, vielleicht war er dafür verantwortlich, dass Familien zerbrachen. Er kollaborierte mit den Besatzungstruppen. Dann wollte er Jesus treffen. Ein gutes Anliegen! Jesus verbrachte den Abend mit ihm und scherte sich nicht daran, dass die Nachbarschaft ihm das verbieten wolle (Lukas 19,7).
Ein Satz noch zur AfD, zu "Querdenkern" und Co, weil ich weiß, dass hier Kommentare kommen werden, die fragen, warum man denn denen keine Stimme in der EKD-Synode gibt. Eigentlich meine ich, das hätte ich implizit bereits deutlich gemacht, aber ich will es gern noch einmal explizit formulieren: Das Anliegen von Aimée van Baalen ist es, eine sehr reale globale Katastrophe abzuwenden. Ihr weiteres Anliegen ist es, mit der Kirche darüber ins Gespräch zu kommen. Sie bittet um Hilfe. All das ist bei den oben Genannten nicht der Fall. Unsere Kirche hat das Richtige getan, indem sie Aimée van Baalen zugehört hat. Politisch mag man anderer Meinung sein, christlich gesehen leuchtet es mir beim besten Willen nicht ein, sich darüber zu ärgern.