epd: Herr Liebig, was planen Sie für Ihr letztes Jahr im Amt?
Joachim Liebig: Unsere Landeskirche ist auf einem guten Weg. Mit der ersten Vorlage einer gesetzlichen Grundlage für das sogenannte Verbundsystem sind wir einen wesentlichen Schritt weitergekommen. Das war ein langer Prozess mit vielen Beteiligten, der mich seit 2015 begleitet hat. Ich bin dankbar, dass wir voraussichtlich 2023 das Ergebnis dieses Prozesses gesetzlich festlegen können. Das Verbundsystem ist eine spezifische Antwort unserer Landeskirche auf Fragen wie schwindende Gemeindemitgliederzahlen und Personalmangel. Es gibt wenig Nachwuchs im Bereich der Pfarrerinnen und Pfarrer. Noch hält sich der Mangel in unserer Landeskirche in Grenzen, aber es ist absehbar, dass 2028 nicht mehr alle Stellen besetzt werden können, die wir gerne besetzen wollen. Ein entscheidender Punkt im Verbundsystem ist aber auch die deutlich engere Zusammenarbeit von kirchlichen Mitarbeitenden unterschiedlicher Professionen in einem regionalen Verband von Kirchengemeinden. Dazu gehören neben dem Pfarrdienst die Gemeindepädagogik, die Kirchenmusik und die Verwaltung. Mittlerweile haben sich in der Landeskirche schon ein gutes Dutzend Verbände gebildet, in vielen Fällen funktioniert die neue Form der Zusammenarbeit gut und hat sich eingespielt. Und insgesamt sparen wir mit der Strukturreform natürlich auch Geld.
Das Verbundsystem war 2022 auch ein großes Thema bei der Frühjahrs- und Herbstsynode. Die Kirchenparlamentarier konnten sich aber nicht auf einen Gesetzesentwurf einigen. Sie rechnen in diesem Jahr dennoch mit einer Entscheidung?
Liebig: Ich gehe davon aus. Ich glaube, die Notwendigkeit ist allen Synodalen bewusst. Der Anfang ist gemacht, nun brauchen wir aber die gesetzliche Grundlage. Es besteht eine spürbare Bereitschaft, nochmals ernsthaft an dem Thema zu arbeiten, um nicht gleich absehbare Fehler zu machen. Zudem können Kirchengesetze auch nachgesteuert werden, wenn Bedarf besteht.
Die Ankündigung Ihres Renteneintritts im nächsten Jahr hat erneut Fragen nach der Eigenständigkeit der Landeskirche Anhalts aufgeworfen. Ist das für Sie ein Thema?
Liebig: Nein, ist es nicht. Es ist für mich auch biografisch kein Thema. Ich komme aus einer kleinen Landeskirche und ich habe auch im Ausland Erfahrungen mit kleinen Kirchenstrukturen gesammelt. Zugleich bin ich da nicht ideologisch verbohrt. Dass nur in der Kleinheit Stärke liegt, stimmt natürlich auch nicht. Bei selbstkritischer Betrachtung überwiegen aber immer noch die Vorteile einer Selbstständigkeit für unsere Landeskirche, ihre Gemeinden und Werke. Es wird sich zeigen, wie sich die Kirche in Deutschland entwickelt. Und wie lange etwa das Finanzsystem Bestand hat, mit dem die Landeskirche Anhalts gut leben kann. Aber auch da werden irgendwann Änderungen eintreten. Wenn die christliche Kirche in Deutschland in eine Minderheitensituation gerät, stellt das ebenfalls eine Systemfrage für den Protestantismus dar.
"Wenn die christliche Kirche in Deutschland in eine Minderheitensituation gerät, stellt das ebenfalls eine Systemfrage für den Protestantismus dar."
Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Mitglieder der Landeskirche Anhalts auf unter 27.000. Sie haben in der Vergangenheit eine Art Untergrenze genannt, wie viele Mitglieder es mindestens geben muss.
Liebig: 25.000 Mitglieder sind für mich die Grenze, bei der wir überlegen müssen, welche strukturellen Veränderungen es braucht, um als eigenständige Landeskirche bestehen zu können. Wie viele Menschen werden wir finden, die in der Lage sind, eine Kirchenstruktur zu füllen, die ursprünglich für das Zehnfache an Gemeindemitgliedern installiert worden ist? Ich bin ein großer Freund davon, die Dinge in den eigenen Händen zu halten und die Selbstständigkeit der Landeskirche Anhalts zu wahren.