Katholiken und Protestanten aus der Region am Braunkohletagebau Garzweiler II fordern vom Land Nordrhein-Westfalen einen sofortigen Aufschub (Moratorium) für die Räumung des Geländes. Stattdessen sollten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen, erklärten am Dienstag der Vorstand des Diözesanrates der Katholiken in Aachen und die Superintendenten der evangelischen Kirchenkreise Gladbach-Neuss und Jülich in einer gemeinsamen Erklärung.
Es gehe darum, "gemeinsam nach Wegen zu suchen, unter Einhaltung aller Klimaziele und unter Berücksichtigung der neusten Gutachten des DIW die noch zur Versorgungssicherheit notwendigen Kohlemengen für die Stromerzeugung zu sichern und dann schnellstens die Braunkohlenutzung zu beenden", erklärten Heribert Rychert vom Diözesanrat, der Jülicher Theologe Jens Sannig und Dietrich Denker vom Kirchenkreis Gladbach-Neuss. Ein Abbaggern Lützeraths in diesem Winter sei dafür keinesfalls nötig, da ausreichend Kohle für die Kraftwerke an anderen Stellen zur Verfügung stehe.
Die Kirchenvertreter rufen alle Beteiligten zur Deeskalation auf. "Ein mit enormen Risiken für Leib und Leben der am Konflikt Beteiligten verbundener Räumungseinsatz der Polizei muss und kann jetzt noch politisch gestoppt werden." Eine Räumung berge Gefahren für Leib und Leben der Polizisten, die als Einsatzkräfte die Maßnahmen durchsetzen müssten, wie für die jungen Menschen, die verzweifelt Widerstand leisteten, "um unsere Zukunft hier und weltweit zu sichern".
"Gemeinsam sprechen wir uns gegen jede Form der Gewalt in der Auseinandersetzung um die Räumungen in Lützerath aus", erklärten der Diözesanrat und die Superintendenten. "Wir teilen nicht alle Aktionsformen des Widerstandes und wir lehnen jede Form von Gewalt gegen Menschen und Sachen ab." Eine Atempause diene der Deeskalation und schaffe Zeit für klimapolitisch verantwortbare Entscheidungen.
Die Polizei bereitete am Dienstag weiter die Räumung des Dorfes Lützerath vor, das Klimaaktivisten besetzt halten. Die Demonstranten wollen sich der Abbaggerung des Ortes durch den Energiekonzern RWE widersetzen.
Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hatte zuvor die Beschwerde von Klimaaktivisten gegen ein Aufenthaltsverbot in Lützerath abgewiesen. Die entsprechende Allgemeinverfügung des Landrats des Kreises Heinsberg zur Räumung der Ortslage vom 20. Dezember habe weiterhin Bestand, erklärte das Gericht am Montagabend in Münster (AZ: 5 B 14/23).
Auch das darin enthaltene Aufenthalts- und Betretungsverbot sei "voraussichtlich rechtmäßig". Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Das OVG bestätigte damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Aachen aus der vergangenen Woche. (AZ: 6 L 2/23)
Klimaaktivisten protestieren in dem zur Stadt Erkelenz gehörenden Weiler gegen den Kohleabbau und wollen sich der Abbaggerung des Ortes durch den Energiekonzern RWE widersetzen. Die Allgemeinverfügung zur Räumung Lützeraths untersagt Personen den Aufenthalt, da der Ort im Rahmen von Garzweiler II zur Braunkohlegewinnung vorgesehen ist. Die Polizei Aachen hat angekündigt, dass mit der Räumung des nur noch von Klimaaktivisten bewohnten Ortes frühestens ab Mittwoch zu rechnen sei.
Polizei rechnet mit Gewaltbereitschaft der Aktivisten
Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach legte sich weiterhin nicht auf einen konkreten Termin der Räumung fest. Die Räumung durch die Polizei könne am Mittwoch oder noch "an den darauffolgenden Tagen erfolgen", sagte er dem WDR-Radio. Sorge bereite ihm derzeit die Gewaltbereitschaft unter einigen der Klimaaktivisten. So seien offenbar Steine und Dachziegel angehäuft worden, um sie als "Wurfmaterial" gegen die Polizei zu verwenden.
Unterdessen warf die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer der Polizei eine unfriedliche Strategie vor. Sie sehe "ganz viel friedlichen Protest", sagte die Vertreterin der Initiative "Fridays for Future" sagte am Dienstag im Deutschlandfunk. Die Polizeistrategie sei hingegen "nicht besonders friedlich", Offensichtlich gebe es lediglich die Strategie, "immer mehr Polizeikräfte dahin zu holen", fügte Neubauer hinzu. Sie verwies auf ein den Protestierenden zustehendes "ziviles Recht, für Klima-Gerechtigkeit einzustehen".
Weinspach betonte indes im Fernsehsender Phoenix das Bemühen der Polizei, deeskalierend vorgehen zu wollen. Neben verbarrikadierten Häusern, die geräumt werden müssten, gebe es rund 25 Baumhäuser, aus denen Protestierende technisch aufwendig und sicher herausgeholt werden müssten.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Julia Höller, räumte ein, dass die anstehende Räumung in Lützerath "ein schwieriger und nicht ungefährlicher Einsatz" werde. Auch wenn es in den vergangenen Tagen zu einigen gewalttätigen Aktionen seitens der Klimaaktivisten gekommen sei, verhalte sich die "Mehrheit der Protestierenden in Lützerath friedlich", sagte sie dem WDR-Radio.
Der Bürgermeister der Stadt Erkelenz, Stephan Muckel, zeigte sich besorgt über eine bevorstehende Eskalation. Man könne derzeit "nur hoffen, dass es einigermaßen friedlich bleibt", sagte der CDU-Politiker dem WDR-Radio. Für die fünf Dörfer, die am Rande des Tagesbaus erhalten bleiben, gehe es nun darum, "in Richtung Zukunft" zu schauen. Notwendig sei "eine Befriedung der Region".
Klimaaktivisten zeigen sich weiterhin fest entschlossen, Lützerath mit allen Mitteln vor den Braunkohlebaggern zu retten. In den vergangenen Tagen war es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Protestierenden und der Polizei gekommen. Für Samstag ist eine Großdemonstration vor Ort für den Erhalt des Dorfes geplant.