In dem von der Abbaggerung betroffenen Dorf Lützerath im rheinischen Erkelenz steigt die Zahl der Klimaschützerinnen und Klimaschützer, die die ab Dienstag drohende Räumung des Ortes verhindern wollen. "Wir werden jeden Baum, jedes Haus verteidigen", kündigte eine Sprecherin von "Ende Gelände" am Sonntag in Lützerath an. Die Mobilisierung laufe gut, "stündlich kommen immer mehr Menschen in den Ort". Mittlerweile hielten sich Schätzungen zufolge bis zu 1.000 Demonstranten in Lützerath auf. Auch die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer von "Fridays for Future" reiste am Sonntag an.
Die Polizei Aachen geht von einer weitaus höheren Zahl von Aktivistinnen und Aktivisten aus. "Unser aktueller Stand sind 1.500 Demonstranten vor Ort in Lützerath", sagte eine Sprecherin dem epd. Die Beamtinnen und Beamten sind den Angaben zufolge in mehreren kleineren Gruppen vor Ort, sichern vor allem die Bereiche entlang der Abbruchkante wegen der hohen Gefahrenlage dort. Ein am Sonntag geplantes Konzert der Band "AnnenMayKantereit" musste wegen einer Unterspülung in einem Bereich der Tagebaukante verlegt werden. Auslöser war laut Polizei ein massiver Wasseraustritt aus einem Rohr. Wie es dazu kam, werde noch geprüft, hieß es.
Der Energiekonzern RWE will den Weiler am Tagebau Garzweiler abreißen lassen, um die Braunkohle darunter abzubaggern. Der zuständige Landrat des Kreises Heinsberg, Stephan Pusch (CDU), hatte dazu am 22. Dezember eine sogenannte Räumungsverfügung erlassen. Lützerath wurde damit zum Sperrgebiet. Gemäß der Verfügung ist "ab dem 10. Januar 2023 mit der Ergreifung von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung durch Ausübung von unmittelbarem Zwang" - also einer Räumung durch die Polizei - zu rechnen. Umweltverbände und Klimagruppen wollen am 14. Januar dagegen protestieren.
Das lokale Bündnis "Lützerath unräumbar", zu dem sich unter anderem die Gruppen "Ende Gelände", "Fridays for Future", "Letzte Generation" oder "Lützerath lebt!" zusammengeschlossen haben, organisiert zudem vor Ort Aktionen. Am Sonntag fanden ein "Aktionstraining" mit dem Üben von Sitzblockaden und ein Dorfspaziergang entlang der Abbruchkante statt. Dazu war auch Luisa Neubauer erwartet worden, die verspätet mit einen Shuttlebus aus Hamburg ankam. Dort sei der Bus von der Polizei über mehr als drei Stunden an der Weiterfahrt gehindert worden, teilte Neubauer auf Twitter mit und rief zum Widerstand gegen RWE auf: "Solange fossile Konzerne die Regeln für die Energiewende machen, wird es keine geben. Schon gar keine, die schnell und gerecht genug kommt."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne) hatten sich im Oktober 2022 mit RWE auf einen vorgezogenen Braunkohleausstieg 2030 verständigt. Die Vereinbarung sieht außerdem vor, die noch zur Verstromung verfügbare Braunkohlemenge im Tagebau Garzweiler II auf rund 280 Millionen Tonnen zu halbieren. Fünf bislang von Umsiedlung bedrohte Dörfer im rheinischen Revier - Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich, Berverath - sollen erhalten bleiben. Der umkämpfte Ort Lützerath allerdings soll dem Kohlebagger weichen.