Das erste, wenn auch wenig bekannte, kirchliche Fest im neuen Jahr ist der 6. Januar. Hier erinnert sich die Kirche unter anderem an die Taufe Jesu. Das passt gut: Die Taufe ist ein neuer Anfang, so wie das neue Jahr auch einen Neuanfang bedeutet. Kirchen stoßen mit neuen Initiativen (z.B. hier oder hier) auf ein neues Interesse an der Taufe – etwa bei dem neuen Format relativ spontaner Taufen oder mit Tauf-Festen von Gemeinden am Fluss. Auch hier macht der Gesichtspunkt des neuen Anfangs einen Teil des Reizes aus.
Alexander Maßmann wurde im Bereich evangelische Ethik und Dogmatik an der Universität Heidelberg promoviert. Seine Doktorarbeit wurde mit dem Lautenschlaeger Award for Theological Promise ausgezeichnet. Publikationen in den Bereichen theologische Ethik (zum Beispiel Bioethik) und Theologie und Naturwissenschaften, Lehre an den Universitäten Heidelberg und Cambridge (GB).
An dieser Stelle soll es allerdings in einem etwas anderen Sinn um die Taufe gehen. Zu einer Taufe gehören in der Regel Taufpaten dazu. Familien, die die Taufe eines Kindes planen, fragen sich, wer hier in Frage kommt – etwa bestimmte Verwandte oder Freunde der Familie. Aber was, wenn die nicht Mitglieder einer Kirche sind? Die Taufe gilt als die Bejahung der Liebe Gottes zum Menschen. Doch kann man dann das Mitwirken als Patin und Pate überhaupt an formelle Kriterien binden, wo doch die Liebe Gottes allen Menschen gilt, unabhängig von bestehenden Eigenschaften? Für den Täufling selbst ist die Taufe an keinerlei Bedingungen geknüpft – abgesehen davon, dass man nicht gegen den eigenen Willen getauft werden kann. Aber wie steht es mit den Paten?
Geht Taufe nicht auch ohne Patin und Paten?
In den evangelischen Kirchen in Deutschland ist zur Taufe eines Kindes in der Regel zumindest eine Patin oder ein Pate notwendig. Die Paten-Anforderung kann bei einer Not-Taufe entfallen. Bei regulären Taufen gilt in der evangelisch-reformierten Tradition herkömmlich die Gemeinde als Ganze als Patin. Wird außerdem jemand mit der Konfirmation getauft, sind in diesem Alter ohnehin keine Patinnen mehr nötig. Ansonsten aber stellt sich die Frage, wer Patin oder Pate wird.
In evangelischen Kirchen können alle Patin oder Pate werden, die einer evangelischen Kirche angehören und konfirmiert sind. In vielen Kirchen reicht es auch aus, dass die Pat:innen einer anderen christlichen Kirche angehören, z.B. römisch-katholisch sind. In manchen Schweizer Kirchen ist es dagegen möglich, dass eine Patin keiner Kirche angehört – vielleicht sogar erklärte Atheistin ist –, solange eine andere Patin Mitglied einer Kirche ist. Verschiedentlich ist es dort auch möglich, dass ein Pate zwar Kirchenmitglied, aber nicht selbst getauft ist.
Wie es zum Patenamt kam
In der Spätantike kam das Patenamt auf, als die Taufe noch eine tendenziell exklusive Angelegenheit war. Man taufte oft Erwachsene, und das schloss den Zugang zum Abendmahl ein. Aus Angst, diesen Ritus zu entwürdigen, behielt man ihn den ernsthaften Christinnen und Christen vor. Deshalb bestätigten die Taufpaten, dass sich der Täufling nicht leichtfertig der Kirche anschließe. Wenn die Taufe das Eingangstor zum christlichen Leben ist, dann diente die Erfordernis von Paten ursprünglich dazu, nicht zu schnell Eingang zu gewähren. Wenn sich Jesus auf der anderen Seite der Tür befindet, wäre der Pate der Türsteher, durch den die Kirche Jesus vor dem Pöbel beschützt.
Als die Gesellschaft im Mittelalter zunehmend als ganze christlich wurde, taufte man nicht mehr Erwachsene, sondern vor allem Babys. Die Rolle der Patinnen und Paten schloss nun auch die Verpflichtung ein, für das getaufte Kind zu sorgen, falls den Eltern etwas zustoßen sollte. Außerdem sollten Paten durch Vorbild, Begleitung und Fürbitte den Heranwachsenden zu einem christlichen Leben verhelfen. Es wandelt sich die Rolle der Paten vom Türsteher zu der eines anderen Gastes, der den Neuankömmling willkommen heißt.
Seine Vormundschaftsaufgabe hat das Patenamt inzwischen verloren. Dennoch ist die Anforderung der Kirchenmitgliedschaft an die Paten heute nicht ideal.
Die Anforderung an die Pat:innen ist defizitorientiert
In der Praxis scheitert die Taufe in den evangelischen Kirchen in Deutschland nicht am Patenamt. Im Zweifelsfall können Kirchen-distanzierte Eltern etwa eine entfernte Verwandte überzeugen, als Patin einzuspringen. Möchte man darüber hinaus eine bestimmte Person einbinden, die der Familie nahesteht, greifen Gemeinden manchmal zum Kniff einer Taufzeugin. Sie ersetzt die Patin nicht, doch immerhin kann eine Familienfreundin so mit an der Taufschale stehen und gehört dazu, auch wenn sie selbst kein Kirchenmitglied ist.
Dass mit dem Patenamt dennoch die Herausforderung besteht, einer formellen Anforderung Genüge zu leisten, ist nicht ideal. Dass man für das Patenamt erst ein Kirchenmitglied ausfindig machen muss, bedeutet zugleich, dass bei einer kirchen-distanzierten Familie ein Defizit ausfindig gemacht wird: Sie ist anscheinend nicht kirchlich genug. Die Taufe wäre dagegen für die Tauffamilie überzeugender, wenn sie sich mit dem gesamten Arrangement identifiziert und die Pfarrerin oder der Pfarrer nicht auf eine halbherzige Erfüllung der Formalien pochen müsste. Oft üben reguläre Paten das Amt ohnehin nicht so aus, dass sie sich aktiv für eine christliche Erziehung einsetzen. Hier wären neue kirchliche Angebote für Paten sinnvoll. Bei fortgesetztem Schrumpfen der Kirchen in Deutschland könnte die Patenfrage noch häufiger zu einer Schwierigkeit werden.
Klarer und überzeugender wäre es, wenn auch kirchendistanzierte Familien die Taufe als offene Einladung erleben, in der die Familie von der Gemeinde willkommen geheißen wird, ohne auf der Kirchenmitgliedschaft der Paten zu bestehen. Ein offenes Willkommen könnte die Schwelle für einen möglichen zukünftigen Kontakt zur Gemeinde tiefer legen. Doch ist es überhaupt sinnvoll, an dem Patenamt als solchem noch festzuhalten?
Weshalb Paten?
Unser Leben geschieht immer im Zusammensein mit anderen Menschen, die uns prägen. Wir können unsere Identität nie einfach von anderen trennen. Das gilt natürlich auch gegenüber den Eltern, die ihrerseits das Patenamt übernehmen können. Doch mit anderen Paten wird der engere Kreis geweitet, und das Leben wird sozial reicher. Hier besteht die eigentliche Aufgabe der Patinnen und Paten darin, dem Kind neue Anregungen für das christliche Leben zu geben. Das neue Leben in Verbindung mit Gott gewinnt in sozialen Beziehungen konkrete Gestalt. Anders als bei dem einmaligen Ereignis der Taufe ist es damit aber nicht ein für alle Mal geschehen. Luther schrieb etwa, er müsse sein Leben lang immer wieder neu "in die Taufe hinein kriechen".
Auch wenn die Paten nicht kirchlich sind, dienen diese persönlichen Beziehungen dennoch dem Segen, mit dem Gott das Leben des Täuflings bereichern möchte. Es besteht auch hier die Möglichkeit, dass der Täufling die gute Botschaft des Evangeliums in diesen persönlichen Beziehungen erfährt.
Ausblick
Dass es das Patenamt überhaupt gibt, ist also sinnvoll. Nicht-kirchliche Freunde oder Verwandte können bei der Taufe eingebunden werden, indem sie – eher informell – als Taufzeug:innen mitwirken. Doch leider ist es derzeit in den evangelischen Kirchen in Deutschland nicht möglich, dass Menschen, die nicht Kirchenmitglieder sind, Taufpaten werden. Hier wäre es sinnvoll, Pfarrerinnen und Pfarrern mehr Flexibilität einzuräumen. Beim neuen Anfang der Taufe würde so der soziale Kreis des gemeinsamen Lebens mit einem großen Willkommen geweitet. Das ließe sich zugleich mit der Möglichkeit verbinden, dass kirchliche Initiativen Kontakt zu diesen Patinnen und Paten aufnehmen und auch bei Kirchenfernen Interesse am Glauben wecken.