Die Bäume neben dem langgezogenen Flussbett sind kahl und karg. Ausgemergelte Erde zieht sich kilometerweit hin. Roter Staub wirbelt auf. Der Serolevi ist fast komplett ausgetrocknet. "Der Fluss war unsere Lebensader", sagt ein älterer Mann und schaut von der Brücke in sieben Meter Tiefe. "Jetzt ist er weg." Dort, wo die Schnellstraße hinauf nach Äthiopien beginnt, nahe der Stadt Isiolo, schlängelte sich einst der Serolevi durch die Region im Norden Kenias.
Jetzt breitet sich neben dem Highway eine Steppe aus: Steine, Geröll, rissiger Boden, ab und an ein Tierskelett. Seit vier Jahren warten die Menschen hier auf die Regenzeiten. Das kostbare Wasser, das normalerweise von März bis Mai und von Oktober bis November die Natur belebt, fällt nicht mehr.
Insgesamt leiden 4,5 Millionen Kenianer und Kenianerinnen unter der Dürre. Viele von ihnen können kaum noch Ackerbau und Viehzucht betreiben - die Sonne brennt ihnen die Lebensgrundlage weg. "Familien kämpfen mit schwerem Nahrungsmittel- und Wassermangel, der sich in den kommenden Monaten noch verschlimmern könnte", warnen die Vereinten Nationen.
Doch einige Dutzend Kilometer nördlich des ausgetrockneten Flusses keimt Hoffnung auf. Schauplatz ist der Flecken Lontolio im Bezirk Marsabit County. Auch hier hängt Staub in der Luft, ein Dutzend sonnengebleichter Hütten bilden den Dorfkern. Aber eine Frau, Abuya, erzählt eine Geschichte von Mut und Zuversicht. Sie trägt ein leuchtendbuntes Gewand und üppigen, selbstgemachten Schmuck.
Kleine Oase in der Ödnis
"Wir wissen zwar nicht, wann die Trockenheit endet", sagt Abuya. "Wir geben aber nicht auf und wehren uns." Sie und ihre Mitstreiterinnen einer lokalen Frauengruppe haben zwölf Morgen mit dornigen Sträuchern, Büschen und Baumstümpfen wieder urbar gemacht - eine kleine Oase in der Ödnis.
Angewandt haben die Frauen eine simple Methode, die einen sperrigen Namen trägt: Farmer Managed Natural Regeneration, also etwa Wiederbelebung der Natur durch Landwirte. Die Hilfsorganisation World Vision setzt nach eigenen Angaben die Methode in Kenia und 26 anderen Ländern um. Bäuerinnen und Bauern haben so schon insgesamt rund 18 Millionen Hektar ungenutztes Brachland in Landwirtschafts-, Weide- und Waldgebiete verwandelt - das entspricht der doppelten Fläche Portugals.
Tierfutter durch kräftige Akazienbäume
"Bei der Methode geht es darum, alte, aber noch lebende Baumwurzeln wieder austreiben zu lassen", erklärt Tony Rinaudo, Klima- und Wiederaufforstungsexperte bei World Vision. Stümpfe werden nach einer bestimmten Technik beschnitten und ruhende Samen, die viele Jahre im Boden überleben können, entwickeln sich zu Bäumen. Der Australier Rinaudo gilt als Vater des Regenerations-Konzepts. Er entwickelte die Methode einst im dürregeplagten Niger und erhielt dafür den Alternativen Nobelpreis.
Rinaudo, den sie auch "Waldmacher" nennen, kommt schnell mit den Frauen von Lontolio in einen Austausch, ein Dolmetscher übersetzt die Ausführungen aus der Regionalsprache ins Englische. Tatsächlich haben die Frauen ganze Arbeit geleistet: Wo sich einst karges Buschland ausbreitete, wachsen nun kräftige Akazienbäume. Die Akazien schaffen Flächen mit Sonnenschutz, auf denen Gras und andere Gewächse gedeihen. Diese dienen als Futter für Ziegen. Die Ziegen gehören zu den wenigen Nutztieren, die in der rauen Landschaft überleben. "Wir erwirtschaften sogar einen Überschuss an Futter und verkaufen ihn an andere Farmer", betont eine der Frauen.
Während die Sonne langsam untergeht, berichtet Rinaudo von den "verblüffenden" Erfolgen seiner Methode: "Das Ganze ist einfach, billig und funktioniert selbst in manchen Wüstenregionen sehr schnell." Die Naturverjüngung kostet nach seinen Angaben zwischen 14 und 50 US-Dollar pro Hektar. Das Pflanzen neuer Bäume hingegen schlägt richtig zu Buche - zwischen 400 und 8.000 US-Dollar pro Hektar.
In jedem Fall bescheren Bäume den Menschen viele Gaben: Wildnahrungsmittel, traditionelle Medikamente, natürlichen Dünger für Getreide, Blüten für Bienen. "Bäume verändern das Mikroklima, indem sie die Temperaturen senken und es Pflanzen und Tieren ermöglichen, die Niederschläge besser zu nutzen", erläutert Rinaudo. Und Bäume absorbieren Kohlenstoffdioxid, das Treibhausgas, das den Klimawandel immer weiter beschleunigt.
Über Lontolio breitet sich die Nacht aus. Nach der Feldarbeit sind die Frauen zu ihren Wohnstätten zurückgekehrt, kümmern sich nun um ihre Familien. Jeden Tag tragen sie im Kleinen zum Kampf gegen die Erderwärmung bei. Rinaudo zollt ihnen seinen Respekt: "Sie sind die Heilerinnen der Welt."