Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen den Rektor des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs haben sich laut Zentralrat der Juden in Deutschland durch eine Untersuchung bestätigt. Auch Vorwürfe der Verbreitung pornografischer Inhalte und der Diskriminierung an der Rabbinerausbildungsstätte hätten sich als zutreffend herausgestellt, teilte der Zentralrat am Mittwoch in Berlin mit.
Nach Auffassung der Gutachter sei bei mehreren Delikten, unter anderem Nötigung und Vorteilsannahme, mindestens der Anfangsverdacht einer Straftat gegeben, hieß es. Der Rektor der Rabbininerausbildungsstätte, Walter Homolka, bestreite sämtliche ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe.
Ein Verbleib Homolkas in seinen bisherigen Ämtern sei mit diesem Ergebnis nicht denkbar, erklärte der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster. Am Abraham-Geiger-Kolleg herrschte laut Untersuchung eine in der Struktur angelegte "Kultur der Angst".
Schuster forderte vor diesem Hintergrund "einen umfassenden Neuanfang". Der vorliegende Vorschlag zur Gründung einer Ausbildungsstiftung sei nicht geeignet, das Problem zu lösen.
Das Bundesinnenministerium und das brandenburgische Wissenschaftsministerium forderten angesichts der Untersuchungsergebnisse ebenfalls einen "klaren Schnitt zu der bisherigen Struktur". Die vorliegenden Vorschläge des Geiger-Kollegs entsprächen diesem Erfordernis nicht, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein kritisierte die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse. Sie stehe in einem politischen Zusammenhang zu den am Sonntag geplanten Vorstandswahlen der Union progressiver Juden. Homolka lässt derzeit sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Union ruhen. Gerade jetzt sei eine Fortführung der Unionsarbeit durch eine starke Persönlichkeit nötig, betonte der Landesverband. Die Gemeinden wünschten sich, dass Homolka diese Arbeit fortführen könne.
Die Vorwürfe waren Anfang Mai durch einen Medienbericht bekannt geworden. Im Mittelpunkt stand ein ehemaliger Mitarbeiter des Abraham-Geiger-Kollegs. Nach Einschätzung der Gutachter handelt es sich in neun Fällen um mindestens den Anfangsverdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit.
Der Zentralrat veröffentlichte vorläufige Ergebnisse der Untersuchung. Der vollständige Bericht wurde für kommendes Jahr angekündigt.
Das Rabbinerseminar an der Universität Potsdam wurde 1999 gegründet und bildet seit 2001 Geistliche der liberalen Strömung des Judentums aus. Das Geiger-Kolleg hatte am Vortag die Gründung einer Stiftung als Trägerin der Rabbinerausbildung angekündigt, der Homolka nicht angehören werde. Die Stiftungsstruktur sehe "eindeutige Mitwirkungs- und Kontrollregelungen" vor, teilte Interims-Direktorin Gabriele Thöne in Potsdam mit. Geplant seien Aufsichtsgremien für religiöse und Verwaltungsfragen.
Homolka werde sich künftig der Forschung und der Tätigkeit als Professor der Universität Potsdam widmen, hieß es im Zusammenhang mit der geplanten Stiftung. Die Leitung der Rabbinerausbildung gehe 2023 in neue Hände über.