Die jüngste Lambeth Conference musste wegen Spannungen innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft verschoben werden. Worum ging es dabei und konnten die Spannungen überwunden werden?
Robert Innes: Im globalen Süden herrscht seit langer Zeit eine striktere Sexualmoral als zum Beispiel in Europa. Die Diözesen vor Ort hatten Angst, dass die westlichen Diözesen in der Gemeinschaft diese Sichtweise nicht akzeptieren und ihnen ihre progressivere Sexualmoral aufzwingen würden. Durch viele Gespräche im Vorfeld konnte zumindest dafür gesorgt werden, dass die meisten Bischöf:innen an der Konferenz teilnehmen. Am Ende der Konferenz konnten diese Spannungen zwar nicht komplett aufgelöst werden, aber es war immerhin möglich, dass die konservativen Diözesen im Süden nicht besorgt sein müssen, dass sie nicht respektiert werden und dass gleichzeitig die liberaleren Kirchen, zum Beispiel in den USA, ihre Reformen durchführen können.
Als Teil der anglikanischen Delegation haben Sie auch am Treffen des Ökumenischen Rates der Kirchen teilgenommen. Im Vorfeld wurde diskutiert, die russisch-orthodoxe Kirche auszuschließen. Warum kam es dann doch nicht dazu?
Innes: Es wäre das erste Mal in der Geschichte des ÖRK, dass eine Kirche ausgeschlossen worden wäre. Die Verfassung des Rates macht diesen Schritt bewusst sehr schwer. Obwohl wir den Krieg gegen die Ukraine natürlich nicht unterstützen oder gutheißen, sind wir als Kirchen dazu angehalten, Kanäle der Verständigung zu ermöglichen und alles in unserer Macht stehende zu tun, dass Kriege am Verhandlungstisch beendet werden oder gar nicht erst entstehen.
Die Diözese in Europa hat auch Gemeinden in Kiew und in Moskau. Wie hat der Krieg die Arbeit der Gemeinden verändert?
Innes: Die Kirche in Kiew haben wir mit Beginn der Bombardements geschlossen. In der Passionszeit haben wir uns online für Gebete getroffen. An diesen Treffen haben mehrere Tausend Menschen aus der gesamten Diözese teilgenommen. Außerdem haben wir einen Hilfsfond eingerichtet, in dem bisher 400.000 Euro zusammengekommen sind, womit wir humanitäre Hilfe in der Ukraine leisten. Die Arbeit in Moskau gestaltet sich sehr schwierig, da die Gemeinde sehr isoliert ist. Trotzdem versuchen wir, die Arbeit möglichst lange aufrechtzuerhalten.
Durch den Tod von Queen Elizabeth II. hat die Church of England einen neuen "Supreme Govenor" bekommen. Wie hat der persönliche Glaube von Elizabeth II. die Church of England beeinflusst?
Innes: Ihre Majestät hat ihr gesamtes Leben aus einem tiefen Glauben heraus gelebt. Da sie ihren Glauben auch öffentlich praktiziert hat, konnte sie ein gutes Vorbild für Christ:innen weltweit sein. Es war ehrlich gesagt auch ein schönes Gefühl, zu wissen, dass das Staatsoberhaupt auf unserer Seite steht. Alles in allem kann man sagen, dass Elizabeth II. unsere größte und aktivste Missionarin war.
Wie wird King Charles III. die Church of England verändern?
Innes: King Charles wird im Gegensatz zu seiner Mutter stärker damit zu tun haben, dass die britische Gesellschaft immer säkularer und pluralistischer wird. Vor allem ist die Hoffnung, dass wir gemeinsam mit ihm Themen angehen können, die auch schon lange für King Charles wichtig sind. Dabei wird der Umweltschutz bestimmt eine wichtige Rolle einnehmen. Andererseits muss der König als Souverän natürlich eigentlich neutral sein. Da er noch nicht lange Souverän ist, müssen wir uns noch ein bisschen gedulden, bis wir wirklich sehen können, wie er die Church of England prägen und verändern wird.